ARBEITERSCHAFT (Josef Rafetseder)

Die Arbeiterschaft manifestiert sich in der beruflich unselbständigen Beschäftigung mit Entgelt. Im Wesentlichen ist die Arbeiterschaft zweidimensional, in Arbeiter und Angestellte, gegliedert.

Der gesamte Inbegriff von Arbeit ist, ähnlich wie bei den Bauern oder im Gewerbe, uralt. Handarbeit oder eben „Arbeiten mit der Hand“ war z. B. auch die Herstellung von ganz primitiven Waffen oder Geräten aus Stein. Wenn diese Herstellung im Auftrag eines Auftraggebers geschah, war der, der diesen Auftrag ausführte, bereits Arbeiter. Auch unter jenen, welche die Burgen, Klöster und Kirchen errichteten, waren sicher neben Bauern auch Arbeiter.

Aber auch das schon im Hochmittelalter existierende Burgpersonal wie Ritter oder Burg- und Grundpfleger waren zum Teil ganz eindeutig Arbeiter.

Für uns ist mehr die Arbeiterschaft der Neuzeit interessant.

Vorweg, in all den Jahrhunderten stand der Arbeiter gesellschaftlich und sozial immer auf einer ähnlichen Stufe wie der Bauer. Beide waren unterdrückt. Besonders im 18. und 19. Jahrhundert, als das kapitalistische Wirtschaftssystem aufkam, wurden die Arbeiter ethisch und humanitär als völlig wertlos, aber materiell als sehr nützliches „Produktionsmittel“ eingesetzt. Erst die besonders im 19. Jahrhundert proklamierten Arbeiterbewegungen mit zum Teil revolutionären Inhalten leiteten die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Änderungen ein.

Anders als in wahren Industriegebieten, etwa im Salzbergbau, im Erzabbau oder in der Eisenverarbeitung, wo sicher eine sehr homogene Arbeiterschaft siedelte, waren bei uns die Arbeiter häufig im ländlichen Bereich tätig. Viele waren vor allem Landarbeiter, also „Bauernknechte und Mägde“, Holzfäller, Fuhrleute, Sägearbeiter, aber auch als Maurer und Zimmerleute tätig. Einige waren als Strohdecker beschäftigt.

Foto: Arbeiter am Holzlagerplatz der Neusiedler mit Josef Kaiselgruber, Großerlau 57 (3. v.l.) (47/473)

Vor dem 2. Weltkrieg war ein wesentlicher Arbeitgeber für die Dimbacher Arbeiter das Sägewerk Langenbach, ein nach dem 1. Weltkrieg von einem Juden gegründetes Unternehmen. Für viele Arbeiter bedeutete das einen täglichen zweimaligen Fußweg von je 1,5 Stunden. Selbst am Samstag musste noch bis Mittag gearbeitet werden. Die Arbeit dort war hart und die Eigentümer dieser Firma waren ganz und gar nicht milde. Ein heute bereits verstorbener Arbeiter erzählte: „Manchmal war es so, dass man auf die Arbeiter gerade nicht eingeschlagen hat.“

Foto: Sägewerk Langenbach (47/229)

Foto: Arbeiter im Sägewerk der Weinzinger (rechts Leopold Fichtinger) (44/950)

Foto: Mitarbeiter der Firma Weinzinger im Jahre 1932 (51/1500)

Bereits um 5 Uhr am Morgen verließen viele das Haus, um beim „lauten Hupton“ um 7 Uhr pünktlich die Arbeit zu beginnen. Es musste praktisch bei jedem Wetter gearbeitet werden. Bei Schlechtwetter gab es kaum eine Unterbrechung und so geschah es, dass die durchnässte Kleidung den ganzen Tag über getragen wurde. Oft trocknete die zu scheinen begonnene Sonne die Kleider wieder. Um 5 Uhr abends verkündete das weithin hörbare Hupsignal das Arbeitsende. Durch dieses Signal wussten auch die weiter entfernt arbeitenden Bauern von Dimbach die Uhrzeit. „Es ist 5 Uhr Nachmittag, in Langenbach haben´s gehupt“, hieß es. Die Arbeiter mussten wieder zwei Stunden nach Hause gehen. Daheim angekommen, war für sie noch keineswegs Feierabend. Die meisten Arbeiter hatten eine kleine Landwirtschaft, da war allerlei zu tun und sie konnten für sich und ihre Familie das Wichtigste selber erwirtschaften. Zusätzlich bewirtschafteten sie noch bei Bauern kleinere Grundflächen, um ihre Versorgung noch etwas aufzubessern. Dafür mussten sie als Gegenleistung bei den Bauern Arbeitstage leisten, wofür häufig ihre Frauen und Kinder eingesetzt wurden.

Wohl hatten diese Arbeiterfamilien durch die kleine Landwirtschaft eine gewisse Selbstversorgung mit notwendigen Lebensmitteln, dennoch war das Geld bei diesen Leuten knapp. Die Männer konnten vielfach kaum verdienen, was notwendig war, sei es wegen des allgemeinen Arbeitsplatzmangels oder auch wegen des äußerst niedrigen Verdienstes.

Frau Hilda Fenster weiß auch noch von ihrer Mutter zu berichten, wie diese mit dem Schubkarren das Mahlgetreide zum Müller brachte und Arbeiten am Betrieb des Müllers verrichtete, um den „Mahllohn“ abzuleisten. Meistens musste sie den Dünger (Stallmist) in Kisten, die sie am Kopf trug, den Hang hinauftragen.

Foto: Kleinhäuslerhaus mit Brunnen und „Hausbaum“ (44/337)

Ihre Nachbarin Anna Schwaighofer, ebenfalls eine sogenannte Kleinhäuslerin und auch nicht in einer gesegneten Gegend unserer Gemeinde wohnhaft, erinnert sich noch genau, wie sie mit ihrer Mutter (sonst war niemand am Betrieb) in den Wintermonaten mit der Bogensäge einen einzigen Baum fällte und ihn in mühevoller Arbeit zerlegen musste. Dabei fiel der Baum oft so unglücklich, dass sich die beiden Frauen alleine nicht mehr helfen konnten und auf Nachbarschaftshilfe angewiesen waren. Das Einkommen für diese beiden war der karge Ertrag der Landwirtschaft und ein gelegentliches „Schneidern“ (= Nähen) von Kleidern.

Foto: Anna Schwaighofer (Kleinleitner) mit Mutter und Großmutter (Kleinerlau 20) (46/576)

Weil bei solchen Kleinbauern vielfach auch keine Zugkraft wie Ochsen oder Pferde vorhanden war, wurde das Erntegut (Heu, Gras u. dgl.) entweder mit dem Schubkarren oder mit einem Grastuch direkt in die Scheune oder in den Stall hineingetragen.

Foto: Franziska Jung und Rosa Käferböck mit Schubkarren (Dimbachreith 22). (46/408)

Das Leben der Arbeiter mit einer kleinen Landwirtschaft im Hintergrund war sicher sehr bescheiden, dennoch, der Lebensstandard der reinen Arbeiter insbesondere in den Städten war viel karger, ja drückender. Ein Städter erzählte: „Es war nichts mehr zu essen da, so sind wir zu bekannten Bauern aufs Land gegangen, die gaben uns 15 kg Erdäpfel und 3 kg Fett. So hatten wir wieder was.“

Eine weit in die Vergangenheit zurückreichende Tätigkeit war der Beruf des Köhlers, also die Erzeugung von Kohle, die dann z. B. an Schmieden verkauft wurden. Der Name „Kohlstatt“ (= der Platz, wo die Kohle erzeugt wurde) ist heute noch mehrfach bekannt.

Andere Personen, insbesondere weichende Bauernsöhne, verdienten sich in der Zwischenkriegszeit etwas Geld mit der Erzeugung von Granitsteinmaterial.

Foto: Arbeiter im Steinbruch Gloxwald (47/525)

Sie waren richtige Steinschläger. Dazu bohrten sie durch händisches Drehen eines Eisenbohrers, auf den gleichzeitig eine zweite Person mit einem Schlägel draufschlug, ein Loch in den Felsen, um ihn dann mit Schwarzpulver zu sprengen. Seit der Entdeckung des Schießpulvers 1259 galt das Schwarzpulver als beliebtes Spreng- und Explosionsmittel. Diese Steinbrocken mussten nun durch Handarbeit zerkleinert werden. Das gewonnene Material wurde für den Straßenbau verkauft.

Auch beim Straßenbau selbst, der zum Teil schon vor dem ersten Weltkrieg begonnen wurde, gab es Beschäftigung.

Foto: Straßenbau in früherer Zeit (60/1041)

Ganz vereinzelt waren Arbeiter aus unserer Gemeinde bei der ÖBB am Oberbau in der Gegend von Martinsberg und Gutenbrunn tätig. Diese Arbeiter gingen oft täglich diesen Weg zur Arbeit. Selbst in Eisenerz hatte jemand einen Arbeitsplatz. Angestellte spielten zu dieser Zeit in Dimbach noch kaum eine Rolle.

Foto: Zu Fuß oder das Fahrrad waren die einzige Fortbewegungsmöglichkeit, die die Arbeiter auf ihren oft weiten Wegen hatten. (51/1914)

Der Krieg hat dann alles zum Erliegen gebracht. Die Arbeiter mussten, so wie alle anderen, einrücken und sind vielfach nicht mehr zurückgekehrt. Für viele Arbeiterfamilien war diese Zeit besonders hart, denn es gab kaum etwas zu essen.

Als nach dem Krieg der Wiederaufbau begann, kam auch die Produktion von verschiedenen Gebrauchsgütern in Bewegung. Als Baumaterial wurden schon Ziegel verwendet, wodurch man Arbeit beim „Ziegelschlagen“ fand. Diese wurden zum Teil im Auftrag eines Baumeisters hergestellt. Ignaz Quast und sein Vater waren eine Zeit lang hauptberuflich bei der Firma Zika in Waldhausen als Ziegelerzeuger tätig. Viele Leute aus unserer Gemeinde stellten sich die Ziegel für den eigenen Hausbau selbst her.

Foto: Ziegelherstellung beim Unterhöftner in Großerlau 11 (47/1294)

Eine andere Möglichkeit war die Errichtung eines kleinen Ziegelofens (Erdbau) direkt in der Nähe des Lehmvorkommens. Auch Arbeiter aus unserer Gemeinde waren dabei erwerbsmäßig tätig.

Später wurden auch Dachziegel aus Beton selbst erzeugt.

Fotos: Dachziegelerzeugung bei Familie Buchinger (Pointler), Vorderdimbach 23. (51/1916) und (51/1917)

Vorwärts in die neue Zeit

Als ab etwa Mitte der 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts Großbaustellen wie der Kraftwerksbau in Kaprun und in Ybbs-Persenbeug (Kaprun wurde bereits 1918 geplant, Ybbs-Persenbeug 1938), der Weiterbau der Westautobahn oder die Produktion in der VOEST und in den Stickstoffwerken (heute Chemie Linz) intensiviert wurden, entstanden für die gesamte Arbeiterschaft völlig neue Verhältnisse. Die Verdienstmöglichkeiten wurden massiv ausgeweitet und die Gehälter und Sozialleistungen entsprechend verbessert.

In den folgenden Jahren modernisierten und technisierten die Firmen ihre Produktionsstätten kontinuierlich. Gleichzeitig wurde den Arbeitern immer mehr Wissen und Können abverlangt. Waren es erst oft Hilfsarbeiter, so sind es heute hochqualifizierte Facharbeiter und Angestellte.

Fotos: Moderne Produktionsmaschinen (48/1710) und (48/1744)

Foto: Pendler warten auf die Fahrt zum Arbeitsplatz. (51/1325)

Bis zu vier Stunden täglich waren notwendig, um zum Arbeitsplatz und wieder nach Hause zu kommen. Die doch sehr stürmischen Winter waren bei den Frühschichten mitunter sehr gefürchtet. So mancher Pendler weiß zu berichten, dass er noch zu tief nächtlicher Stunde das Bett verlassen musste, um rechtzeitig durch die verwehten Zufahrtswege zur Pendlerhaltestelle zu kommen. Da war es eine große Erleichterung, als gut ausgebaute und geräumte Güterwege geschaffen wurden.

Etwa 1975 kamen VOEST-Vertreter auch nach Dimbach und warben Arbeiter für eine Beschäftigung an. Im Herbst 1978 wurde für unsere VOEST-Arbeiter eine Buslinie eingeführt. Somit entstand für sie die Möglichkeit, täglich wieder zur Familie heim zu kommen. Manche Arbeiten konnten nun auch noch gemeinsam erledigt werden, welche ansonsten von den Frauen und Kindern alleine zu bewältigen gewesen wären.