Ein großer Musiker aus Dimbach (Maria Fichtinger)
„So, jetzt dürft ihr heimgehen“, sagte Herr Oßberger, der Schulmeister der Volksschule Dimbach, „brav habt ihr wieder musiziert.“
Franz Xaver Müller, der Fleischhauersohn und sein Vetter und Freund Karl Neulinger nahmen ihre Notenblätter und die Geige, grüßten und verließen die Schulstube.
Heute gingen die Buben lange nicht auseinander. Der Schulmeister hatte nämlich gemeint, dass sie Sängerknaben in St. Florian werden sollten, und versprochen, bald mit ihren Eltern zu sprechen.
Xaverl wohnte neben der Schule. Der knurrende Magen trieb ihn in die Küche. Er guckte in die Pfanne auf dem Ofen.
„Ah, Grießfleckerl!“ und schon schaufelte er eine ausgiebige Portion auf einen Teller. Franzl konnte viel essen, denn er war ein kräftiger Bub.
Kaum war er mit dem Essen fertig, klopfte jemand an die Tür und der Schulmeister trat ein.
„Xaverl, wo ist denn der Vater? Weißt, ich will mit ihm reden wegen St. Florian.“
„Ich werde ihn gleich holen“, und schon war der Bub draußen. Als er den Vater verständigt hatte, lief Xaverl zu seinem Vetter, um ihm zu sagen, dass der Schulmeister jetzt mit dem Vater redete.
Der Fleischhauer Müller wischte sich nochmals seine Hand im weißen Schurz ab, bevor er die viel zartere Rechte des Schulmeisters ergriff.
„Ja, hat es etwas gegeben mit dem Franzl? Er ist ein großer Spitzbub und hat allerhand Dummheiten im Kopf.“
„Nein, im Gegenteil! Xaverl macht mir viel Freude. Und das Lustigsein ist kein Fehler. Du weißt ja, Vater Müller, dass dein Bub sehr musikalisch ist. Auch sein Vetter Karl, aber Xaverl ist besonders begabt. Es wäre schade, wenn seine Fähigkeiten nicht gefördert würden.“
„Ich weiß es schon, und ich freue mich, wenn seine helle Stimme vom Kirchenchor herabklingt. Ich bin dir, lieber Schulmeister, sehr dankbar, dass du dich um den Franzl so annimmst. Er hat im Singen, Geigenspiel und im Notenschreiben schon viel gelernt und alles unentgeltlich.“
„Ich tu es gern“, erwiderte der Schulmeister, „aber das, was der Bub braucht, kann ich ihm bald nicht mehr geben. Erinnerst du dich noch, wie vor kurzem die böhmischen Musikanten im Dorf aufspielten? Von einer Weise, die Xaverl besonders gefiel, schrieb er die Noten nach dem Gehör fehlerfrei in das Notenheft. Das war mir der letzte Beweis, dass in Xaverl ein Musiker steckt.
Vater Müller, Xaverl gehört fort, damit er musikalisch ausgebildet wird.“
„Ja, was glaubst du denn, das kann ich mir nicht leisten. Meinen anderen Kindern muss ich auch etwas lernen lassen.“
„Müller, ich weiß einen Weg, der nichts kostet. Wir schicken Xaverl und Karl als Sängerknaben nach St. Florian. Dort können sie studieren und musikalisch ausgebildet werden.“
Und so geschah es auch. Die Buben wurden auf die Fürsprache des Schulmeisters als Sängerknaben in St. Florian aufgenommen. Im Stift der Augustiner-Chorherren, in dem Anton Bruckner seine musikalische Heimat hatte, ist auch Franz Xaver Müller zum Musiker herangewachsen.
Jedesmal war es für den Sängerknaben ein Erlebnis, wenn Professor Anton Bruckner von Wien nach St. Florian kam und auf der großen Orgel spielte.
Franz Xaver Müller wurde nach Anton Bruckner, der immer sein großes Vorbild war, einer der bedeutendsten Musiker unserer Heimat. Viele Kompositionen hat er der Nachwelt hinterlassen: symphonische Werke, ein großes Oratorium über das Leben des heiligen Augustinus, lateinische Messen für Hochämter, viele kirchliche Gesänge, weltliche Chöre und Lieder.
In Linz war er durch eine Reihe von Jahren Domkapellmeister und Musikprofessor im bischöflichen Lehrerseminar.
Am 3. Februar 1948 ist er im Alter von fast 78 Jahren gestorben. Im Stiftsfriedhof von St. Florian ruht er unter seinen Mitbrüdern in einem einfachen Grab.
Eine Gedenktafel in Dimbach erinnert an den großen Sohn des Ortes.
Quelle: PERG - Heimatkundliches Lesebuch
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