Die Geschichte der Wallfahrt (Karl Hahn)
Die noch heute vorhandene stattliche Inneneinrichtung des Gotteshauses in Dimbach ist Zeuge einer ehemals ruhmreichen Vergangenheit als Wallfahrtskirche zur „Maria am grünen Anger“. Wann genau der Beginn der Wallfahrten nach Dimbach zum Gnadenort Maria am grünen Anger zu datieren ist, ist nicht mehr feststellbar.
Fest steht aber, dass die Wallfahrt von großer Bedeutung für den Ort war, da im 17. bzw. 18. Jahrhundert jedes Bürgerhaus im Ort die sogenannte „volle Schankgerechtigkeit“ hatte, also das Recht der Bewirtung und Beherbergung der zahlreichen Wallfahrer. Außerdem war es dem Ort erlaubt, „daß im Markte zu verschiedenen Zeiten (an den drei ersten Fastensamstagen, Oster- und Pfingst-Dienstag, Laurenzius, Bartholomäus und Martini) acht Märkte durften gehalten werden, und noch sind deren schlechtester besser als im Markte Waldhausen der beste ausfällt.“ [1] Die reiche Ausstattung der Kirche gibt auch Anlass zu der Annahme, dass der Zustrom an Wallfahrern einst groß gewesen sein musste und durch die Spenden der Erhörung-Suchenden erst möglich machte.
Einzugsbereich
Wer am Beginn der Wallfahrt nach Dimbach und auch zur Blütezeit, welche in der 2. Hälfte des 17. bis 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts anzusetzen ist [2], die Pilger waren und woher sie kamen, kann nicht nachgewiesen werden. In der Pfarrchronik ist nachzulesen, dass Dimbach „von den entferntesten Gegenden her besucht wurde.“ [3] In dieser Hochblüte der Wallfahrt waren sechs steinerne Beichtstühle rund um die Kirche angebracht und bei Bedarf mit Priestern aus dem Stift Waldhausen besetzt. Der Rest dieser Beichtstühle wurde erst am Beginn des 20. Jahrhunderts entfernt, da sie erstens nicht mehr benötigt wurden und zweitens der Erneuerung der Fenster im Presbyterium im Wege waren.
Die noch vorhandenen Kirchenrechnungen aus den Jahren 1749 bis 1831 geben neben der Höhe der Einkünfte aus den Wallfahrten auch Aufschluss über die Herkunft der Wallfahrer, die damals nach Dimbach kamen. Pilger aus St. Nikola/D., Kreuzen, Grein, Dorfstetten, St. Georgen am Wald, Pabneukirchen, St. Thomas am Blasenstein und Waldhausen scheinen darin auf. Folgende Wallfahrergruppen werden unter Angabe der Einnahmen aus den „Samblungen“ angeführt: „Am Fest Mariä Verkündigung Nicolaer, Kreutzinger, Grainer, Dorfstöttner, St. Geörgener, Waldhausener um ein schöner Wetter, Neukirchner.“ Ausgeblieben sind ein anderes Mal am „fest Maria Himmelfahrt St. Thominger, Nicolaer, Neukirchner wegen roglichem Wetters.“ Betrachtet man die Entfernung dieser Orte von Dimbach, lässt sich feststellen, dass sie alle im Umkreis von 10 bis 15 km liegen. Damit hatte Dimbach zumindest ab der Mitte des 18. Jahrhunderts nur mehr eine regionale Bedeutung als Wallfahrtsort, eine überregionale Bedeutung kann hier nicht mehr nachgewiesen werden. Dieser Zeitabschnitt fällt allerdings bereits in die Phase des Versiegens der Wallfahrt, welche mit dem Aufkommen von Maria Taferl in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts ihren Anfang nahm.
Die Zahl der Wallfahrer, die nach Dimbach ihre „Kreutzfahrten“ (vermutlich Bußwallfahrten) – wie es in den vorhandenen Kirchenrechnungen auch heißt – machten, kann aus diesen nicht abgelesen werden. Aber höhere Einnahmen lassen indirekt auf eine größere Anzahl schließen, da von Wohltätern gestiftete Summen in den Kirchenrechnungen extra eingetragen wurden.
Foto: „Tafel“ der Zechpröpste zum Sammeln von Spendengeldern (89/2174)
Die folgende Grafik zeigt die Einnahmen aus „Stockh-Geld (Einnahmen aus den Opferstöcken), „Bild-Geld“ (Erlöse aus dem Verkauf von Andachtsbildern oder direkte Opfer beim Gnadenbild), „Tafl-Samblungen“ (Sammlung durch die Zechpröpste mittels der Tafel, einem an eine lange Stange angebrachten Kästchen) und aus den Einnahmen unter der Position „Kreutz-Fahrten Samblungen“. Die „Zechpröpste“ waren die Verwalter des Kirchenvermögens und erstellten mit dem Pfarrer die Kirchenrechnungen. Diese Einnahmen lassen einen gewissen Schluss auf die Anzahl der Wallfahrer zu und zeigen auch, dass ab 1781 diese sehr stark und rasch absanken – eine direkte Auswirkung der Kirchenreformen von Joseph II. In der Folge kam es zum wirtschaftlichen Niedergang und zu der von Kooperator Franz Böcklinger im Jahre 1880 angeführten zunehmenden Baufälligkeit des Gotteshauses.
Grafik: Einnahmen aus Sammlungen und Naturalabgaben in der Zeit von 1749 bis 1831 (Quelle: Dissertation Dr. Lettner). (89/1565)
Zum Vergleich der Wertigkeit der Opfergelder soll ein Auszug aus einer Auflistung aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts dienen, wobei als Währung der seit 1748 in Österreich eingeführte Konventions-Gulden zu 60 Kreuzern zu 4 Pfenningen verwendet wurde: [4]
„Ein Par Oxen so 8 Zentner wüegt: 150fl (Anm.: Gulden), eine Khue oder Stier: 30fl, ein gueter han: 20kr (Anm.: Kreuzer), eine gantz: 45kr, das Pfund Schmaltz: 20kr (Anm. 1 Pfund = 560 g), ein Pfund Butter: 15kr, ein Pfund har: 15kr, ein Klafter Puchen Holtz: 3fl (Anm.: 24 zöllige Klafter = 2,27 m³), ein Klafter weiches Holtz: 1fl 45kr“
1797 erhielt ein Taglöhner 13kr/Tag, ein Zimmerergeselle 24kr/Tag.
Neben den Geldopfern waren in Dimbach auch Naturalienopfer in Form von „har“ (Flachs), „schmaltz“ (Schmalz) und „ayer“ (Eier) sehr gebräuchlich. Diese wurden von der Pfarre verkauft und der Erlös scheint in den Kirchenrechnungen auf. Allerdings scheinen ab dem Jahr 1789 keine Einnahmen mehr aus Naturalienopfern auf. Entweder hat die Pfarre selbst diese Form der Opfergabe abgeschafft oder sie wurde von höherer Stelle untersagt.
Eine interessante Tatsache ist auch noch aus den Kirchenrechnungen ablesbar. Bedeutende Summen des großen Vermögens, welches die Pfarre durch die Opfer der Wallfahrer besaß, verlieh man mit Verzinsung an kreditwürdige Personen. Diese Verzinsung brachte zusätzliches Vermögen, die Pfarre übte somit damals auch die Funktion eines Geldverleihers aus.
Ein ehemals an der Nordseite oberhalb der Seitentür aufgemaltes adeliges Wappen sowie ein an einem Pfeiler des Presbyteriums eingemauertes Denkmal, welches an einen gewissen „Schweinbachmüllner“ erinnert und von dem eine Urkunde vorhanden war, lassen den Schluss zu, dass auch adelige und begüterte Personen den damals berühmten Gnaden- und Wallfahrtsort aufgesucht und hier ihre Spuren hinterlassen haben.
Beweggründe
Was waren nun die Beweggründe der Wallfahrer, sich auf die sicherlich oft beschwerliche Reise nach Dimbach zu begeben?
Das spätgotische Kultbild „Maria am grünen Anger“, eine beinahe lebensgroße Darstellung der stehenden, gekrönten Maria mit dem nackten, gekrönten Kind auf dem rechten Arm aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts (1480 bis 1490) war zumindest ab der Hochblüte der Wallfahrt der Zielpunkt für die Wallfahrer. Die Kronen auf den Häuptern sind Ergänzungen aus der Barockzeit. [5]
Diese Madonna, die jetzt am Hochaltar steht, stand laut Dr. Lettner ursprünglich auf einer Säule zwischen dem Presbyterium und dem Langhaus und war mit kostbaren Gewändern umgeben. Wann die Statue auf den Hochaltar übertragen wurde, ist nicht belegbar.
Foto: Kultbild Maria am grünen Anger (Hochaltar der Wallfahrtskirche) (89/1561)
Niedergang der Wallfahrt
Nach der Aufhebung des Stiftes Waldhausen fiel die priesterliche Betreuung der Pfarre Dimbach weg. Dieses Ereignis war neben dem Aufleben der Wallfahrt nach Maria Taferl ein wesentlicher Grund für den Niedergang der Wallfahrt in Dimbach.
Die Ursache für das Bekanntwerden von Maria Taferl und dem damit verbundenen Rückgang bzw. dem Versiegen der Anzahl der Wallfahrer nach Dimbach liegt in der Tatsache begründet, dass Maria Taferl es verstand bzw. eine bessere Möglichkeit hatte, ihre „Mirakelbücher“ zu veröffentlichen. Heute würde man sagen, Maria Taferl hatte eine bessere Werbestrategie, ein besseres Managemant. Dr. Lettner schreibt dazu in seiner Dissertation: „Diese Mirakelbücher waren die spirituellen Referenzen über die Wundertätigkeit des Gnadenbildes und dessen Gnadenkraft für viele Bewohner in den Provinzen der Habsburger Monarchie. Die Attraktivität des Gnadenbildes von Maria Taferl, einer Pieta mit Krone am Fuße eines Baumes, verbreitete sich gerade durch die Beschreibung in den Mirakelbüchern in der ganzen Monarchie.“ [6]
Derartige Wunderbeschreibungen aus früherer Zeit sind von Dimbach nicht bekannt. So schreibt auch Pfarrer Matthäus Wagner 1858 in der Pfarrchronik: „Mitten im Hochaltar steht die gut gearbeitete Marienstatue mit dem Kinde und ganz oben ist das schöne Bild von Maria Himmelfahrt eingefügt worden, man aber nichts Wunderbares erzählen hört, noch dessen Verfertiger kennt.“ [7]
1778 gründete, wie schon erwähnt, Gelasius Baumann aus dem Stift Waldhausen, damals verordneter Pfarrer von Dimbach, eine Rosenkranzbruderschaft mit dem Ziel, „zu größerer Ehre Mariä, zu Besserung des Lebens und zur Ausreitung deren in Schwung gehenden Lastern, zur Einpflanzung der wahren Gottesfurcht und Andacht, zu ihrer und aller Nachkömmlingen Seelenheil“ [8], zu wirken. Zahlreiche, gut besuchte Prozessionen machten zur damaligen Zeit, wie schon erwähnt, die Beichtaushilfe der Pfarrer aus dem Stift Waldhausen notwendig. In der Übersicht über die Einnahmen aus den Sammlungen (siehe weiter oben) ist diese Zeit der erhöhten Wallfahrertätigkeit auch erkennbar.
Doch diese Erzbruderschaft sollte nicht lange bestehen, im Jahre 1787 wurde sie aufgehoben und der damalige Pfarrer Gelasius Baumann übergab das Prozessionsbüchel und eine Kupferplatte zum Drucken der Wallfahrtsbilder dem damaligen Marktrichter, damit sie in der Marktlade aufbewahrt und auf Verlangen dem jeweiligen Pfarrer übergeben werden könnten. Ein eigenes Dokument bestätigt die Übergabe dieser Utensilien an den Marktrichter.
Foto: Kupferplatte zum Drucken der Wallfahrtsbilder (Landesarchiv) (89/2185)
Foto: Andachtsbild „Maria am grünen Anger“ zu Dimbach, drittes Viertel des 18. Jahrhunderts (89/2184)
Beschreibung des Andachtsbildes nach Dr. Lettner: „Das Andachtsbild ist durch ein leicht gewölbtes Wolkenband in eine himmlische und eine irdische Sphäre geteilt. In der himmlischen Sphäre schwebt die Darstellung der Gnadenstatue, bekleidet wie das Jesuskind mit einem prächtigen Mantel und bekrönt mit einer reich geschmückten Krone. Der Mantel wird von sechs Engeln getragen, welche die Gnadenstatue umschweben. Die irdische Sphäre wird von einer Kirchendarstellung eingenommen, welche von einer Mauer umgeben ist. Den rechten Abschluss bildet ein Gebäude, welches den Pfarrhof darstellt. Die Begrenzungsmauer, vermutlich die Einfassung des Kirchenhofes, ist an der Vorderseite mit einer Kartusche abgeschlossen, die Hinweis auf den Wallfahrtsort gibt.“ [9] Der Text auf dieser Kartusche lautet: „Wahre Abbildung der Gnadenreichen Mutter Gottes zu Dimbach nechst dem Stüft Waldhausen in Oberösterreich“.
Foto: Andachtsbild Maria Zell; Die Darstellung der Gnadenstatue von Dimbach weist Ähnlichkeiten mit der Darstellung von Maria Zell auf: Dreiecksform, Kind am rechten Arm, barocke Bekrönung, reich geschmückter Mantel (89/1559)
Dass die Wallfahrt zur „Maria am grünen Anger“ auch im 19. Jahrhundert nicht völlig erloschen ist, zeigen weitere Eintragungen in der Pfarrchronik aus 1823, welche unter anderem von „zu Zeiten eintreffenden Wallfahrern“ [10] berichten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts verlor Dimbach als Wallfahrtsort immer mehr an Bedeutung, was aus folgendem Chronikeintrag ersichtlich wird: „Wie hat sich alles hier verändert im Laufe der Zeiten! Früher ein berühmter Wallfahrtsort, … jetzt eine ganz gewöhnliche Landpfarre. Die Tausenden von Wallfahrern, welche auf allen Wegen ringsherum in dieser Gegend andächtig zum Gotteshause wollten, sind längst vermodert und nur vereinzelt kommen noch Leute aus der Nachbarschaft zu unserem Gnadenbilde. Selbst von den genannten sechs Beichtstühlen, die früher außen an der Kirche angebracht waren, sieht man kaum noch die Spuren und auch das uralte Mauerwerk der Kirche zerbröckelt nach und nach.“ [11]
Als einzige Pfarrwallfahrt kam die Nachbarspfarre Pabneukirchen im 19. und 20. Jahrhundert bis zum Beginn des 2. Weltkrieges regelmäßig am Tag Maria Heimsuchung (2. Juli) nach Dimbach. Mit Beginn des 2. Weltkrieges verlor sich auch diese Wallfahrt. Seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts pilgern die Pabneukirchner aber wieder regelmäßig am 2. Juli nach Dimbach, in jüngster Zeit immer am Abend des ersten Freitag im Juli in Form einer Nachtwallfahrt.
Neben den Pabneukirchnern sind im letzten Jahrhundert nur mehr vereinzelte Wallfahrten nach Dimbach dokumentiert. Am Pfingstmontag des Jahres 1947 feierte, wie an anderer Stelle schon beschrieben, die Jugend aus Anlass des 800-jährigen Pfarrjubiläums eine große Jugendwallfahrt und den Bekenntnistag der Jugend in der Pfarre Dimbach. Starke Jugendgruppen aus allen Pfarren des unteren Mühlviertels, insgesamt beinahe 2000 junge Menschen, waren gekommen, um hier zu beten, zu singen und zu feiern. „Dimbach hat recht selten einmal so viele frohe, junge Menschen gesehen, es wird daher diesen Tag immer in schöner Erinnerung behalten.“ [12]
Am 26. August 1973 kam der ÖAMTC von Zell bei Zellhof mit 20 Autos zu einer Wallfahrt nach Dimbach.
Die Familienwallfahrt des Dekanats Grein führte am 6. September 1987 viele Gläubige nach Dimbach.
Seit 2000 ist die Wallfahrt zur Maria am grünen Anger in Dimbach durch die Radiopredigten und Gottesdienstübertragungen im Sender „Radio Maria“ im deutschsprachigen Raum sehr bekannt geworden. Pfarrer Jakubiak hat als großer Befürworter der Wallfahrt zur „Maria am grünen Anger“ ein Anliegenbuch aufgelegt, welches die Wiederbelebung durch Einzelwallfahrten, Gruppenwallfahrten von Pfarren und katholischen Gruppierungen zu Fuß oder mit dem Bus dokumentiert. Nicht nur Eintragungen in Deutsch sind zu lesen, auch in tschechischer und polnischer Sprache wird Dank und Bitte an die Gnadenstatue ausgesprochen.
Foto: Anliegenbuch (89/1868)
Bei entsprechender Mitwirkung aller kann eine weitere Intensivierung der Wallfahrt nach Dimbach für die Zukunft angenommen werden.
Pfarrchronik S. 37
Vergl.: Lettner, Dr. Kurt: Dissertation „Untersuchung zu den Marianischen Wallfahrtsstätten im Unteren Mühlviertel“, S. 58
Pfarrchronik S. 37
OÖ. Landesarchiv Linz, Kommunalarchiv Marktgemeinde Dimbach, ohne Autor, handschriftliches Doppelblatt, Bd. 4, Bl. 5
Vergl.: Lettner, Dr. Kurt: Dissertation „Untersuchung zu den Marianischen Wallfahrtsstätten im Unteren Mühlviertel“, S. 52
ebenda S. 59
Pfarrchronik S. 100
Pfarrchronik S. 230
Lettner, Dr. Kurt: Dissertation „Untersuchung zu den Marianischen Wallfahrtsstätten im Unteren Mühlviertel“, S. 67
Pfarrchronik S. 42
Pfarrchronik S. 240
Pfarrchronik S. 360
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