Munitionsreste als Kriegsüberbleibsel
(Franz Leonhartsberger, Karl Hahn)
Nach Ende des 2. Weltkrieges blieb überall Munition liegen, besonders aber Karabiner und Pistolenmunition. Wir Kinder sammelten sie in Verstecken und holten sie zum Spielen wieder hervor. Besonders groß waren die Bestände beim Wegerer Kreuz im Riegl, denn dort hatte die Wehrmacht einen Lastwagen voll Munition und Waffen abgestellt und angezündet. Ich erinnere mich noch, wie der brennende Lastwagen krachte, als die Munition in die Luft ging. Vieles blieb aber im Wald unversehrt liegen. Andere Bestände wurden kistenweise in die Bombentrichter beim Rauh Weg hineingeworfen. Wir Kinder holten sie heraus, entfernten die Geschosse, schütteten das Pulver in langen Schlangen auf den Weg und stellten die leeren Hülsen in die Pulverstraße. Anschließend zündeten wir das Pulver an. Wenn die Flamme dann zur Hülse kam, explodierte die Zündkapsel. Das freute uns mächtig.
Ein anderes Spiel bestand darin, ein „Hüterfeuer“ auf einem der vielen Findlingssteine in der Wiese anzuzünden. Wenn das Feuer schön groß war, warfen wir die Patronen händeweise hinein und liefen hinter die nächsten Bäume in Deckung. Dort warteten wir, bis die Patronen explodierten.
In einem weiteren Spiel füllten wir das Pulver aus den Patronen in Flaschen, gaben eine Zündschnur hinein und gruben diese so präparierte Flasche ein, sodass nur mehr der Flaschenhals herausschaute. Dann wurde die Zündschnur angezündet und wir gingen in Deckung. Die Flasche explodierte aber nicht, sondern aus dem Hals kam eine Feuerfontäne. Ein regelrechter Vulkan an Feuer entwickelte sich, der fast einen Meter hoch war. Es dauerte ziemlich lange, bis das Pulver aus der Halbliterflasche ausgebrannt war. Ich verstehe bis heute nicht, dass uns die Eltern nie draufgekommen waren, welche gefährlichen Spiele wir mit der Munition trieben. Gleichzeitig grenzt es an ein Wunder, dass nie das Geringste passiert war und wir nie einen Schaden davon getragen hatten.
Jahre später kam ich dann einmal mit einem Arbeitskollegen aus Königswiesen ins Gespräch, der lauter schwarze Punkte im Gesicht hatte. Er erzählte mir, dass ihm beim Öffnen so eine Patrone explodiert wäre. Er wurde an den Fingern verletzt, und das brennende, explodierende Pulver war ihm ins Gesicht geflogen und hatte die schwarzen Hauteinsprengungen verursacht. Er hatte nicht so viel Glück gehabt wie wir.
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Kriegserinnerungen
Pirner Karl gefallen
Es war im Jahre 1943, wie der Pirner Karl gefallen ist. Da sind meine Schwester, die Resl, und ich wieder einmal hinaus gegangen (zu unserem Elternhaus, weil wir beim Pirner in Pflege waren). Winter ist gewesen, viel Schnee ist gelegen, der Schnee hat getragen (war hart gefroren), es ist schon ganz finster geworden. Der Mond ist heraufgekommen und hat uns ein wenig geleuchtet. Und wie wir da so dahingehen, liegt auf einmal einer im Schnee. Ich dreh‘ mich um und sag: „He, da liegt einer!“ Schräg über den Steig, die Beine am Steig, der Körper schräg daneben. Natürlich, die Resl hat einen Schrei gemacht – wie halt die Weiberleut` so sind, hat umgedreht und ist über die Böschung hinein davongelaufen. Was sollte ich machen? So sind wir zum Schmied hinunter, der ist nicht zu Hause gewesen. Da haben wir eine Weile gewartet, bis er nach Hause gekommen ist. Er hat dann eine Laterne angezündet und ist mit uns bis zu der Stelle mitgegangen. Dort hat es ausgesehen, wie wenn da jemand gesessen wäre, aber anwesend war niemand mehr. Auch andere Spuren waren keine mehr da. Voller Angst sind wir dann mit der Laterne nach Hause gegangen. Wir mussten durch das Gassner-Hölzl beim Schützenhofer, da gab es keinen Umweg. Da haben wir uns alle beide sehr gefürchtet. In der gleichen Woche ist die Nachricht gekommen, dass der Pirner Karl im Krieg gefallen ist. Es war alles so, wie wenn mir sein Tod vorgegangen wäre und wie wenn er mich noch einmal besuchen hätte wollen.
Sieben Jahre bin ich beim Pirner gewesen, bis zum Jahre 1949. Danach war ich fünf Jahre in der Kloibmühle. Im Jahre 1954 bin ich dann zum Daxberger hinauf gekommen, 1955 haben wir geheiratet und seitdem bin ich beim Leimhofer.
Schnaps kosten
Nach dem Krieg sind die Russen gekommen. Die waren in Langenbach einquartiert, sind immer zum Kleinspendling gegangen, um sich Schnaps zu holen. Sie sind mit Rosskrampen (schäbige Pferde) gekommen, um sich den Schnaps zu holen. Sie sind oft zum Pirner gekommen und haben gesagt, wir müssten den Schnaps vorher kosten. Sie haben sich gefürchtet, dass der Schnaps vergiftet sein könnte. Mit 2-Liter-Flaschen sind sie gekommen – ohnehin ein „Kretzenwasser“ (schlechte Qualität), ein „Doaschwasser“ ein grausliches, aber wir haben zuerst trinken müssen. Es sind nur ich und die Alte anwesend gewesen, die anderen sind immer davon, wenn die Russen gekommen sind. Die Nanndl ist schon da gewesen, aber die ist im Bett gelegen (war krank). Sie haben den Schnaps in ein halb Liter Glas gefüllt, dazu einen halben Liter Wasser. Das haben sie dann getrunken. Man hätte ohnehin ein Achtel Schnaps alleine trinken können, so leicht war er. Er hat halt gerade ein bisschen nach Schnaps geschmeckt.
Uhr geht verloren
Durch die Nanndl bin ich um meine schöne Uhr gekommen, die ich von meinem Firmgöd bekommen hatte. Die Nanndl hat das Ticken der Hängeuhr nicht vertragen, sie hat eine Herzklappenentzündung gehabt. Weil sie dieses Ticken nicht vertragen hat, haben wir die Uhr abgestellt. So habe ich meine Uhr am Fenster liegen gehabt. Wie die Russen gekommen sind, haben sie auch die Uhr gesehen. Einer von ihnen hat noch eine andere goldene Uhr aus seiner Tasche genommen, hat beide angesehen, eingesteckt und ist wieder gegangen. So war ich meine schöne Uhr vom Firmgöd los. Wenn die Nanndl das Ticken der Uhr vertragen hätte, hätte ich meine Uhr nicht verloren.
300 Mark gehen verloren
In einer kleinen Kassette hatte ich 300 Mark gelagert und unter den Hemden versteckt gehabt. Auch diese wurde von den Russen gefunden und mitgenommen. Sie haben ohne Fragen das ganze Haus durchsucht und mitgenommen, was ihnen zugesagt hat.
„KZler“
Die folgenden Ereignisse fanden nach dem 2. Weltkrieg statt.
Einmal sind „KZler“ gekommen. Ob es wirklich solche waren, ist nicht sicher. Sie haben sich halt so genannt. Die haben ein kleines k.k.-Gewehr gehabt, das ausgeschaut hat wie ein Karabiner mit kleinen Patronen. Einer davon muss ein Scharfschütze gewesen sein. Die Hühner sind bei der Haustüre gestanden und haben zugeschaut. Einige sind auch auf dem Hügel gestanden und haben in die Höhe geschaut. Da hat sich der eine niedergekniet und hat geschossen. Ein Huhn war getroffen und hat „geflügelt“. Ein zweiter Schuss und ein zweites Huhn fiel um. Die wird er wahrscheinlich in den Kopf getroffen haben. Diese Henne haben sie mitgenommen, die erste ist noch beim Tor herein und in die Saukammer hinein. Dort ist sie dann sitzen geblieben, sie hat nicht mehr weiter gekonnt. Wie die „KZler“ weg waren, habe ich die Henne geholt, habe ihr den Kopf abgehackt und schön geputzt. Am nächsten Tag sind die „KZler“ wieder gekommen und haben die geputzte Henne samt dem Weidling (Gefäß) mitgenommen. Die werden sich gedacht haben, halt, jetzt ist sie schon schön geputzt, das passt. Dort hätte ich sie am liebsten erschossen.
Auch ein „Eierzeger“ (Korb) – halb voll mit Eiern, der in der Kammer stand, wurde mitgenommen.
Einen Karabiner hätte ich auch gehabt, einen sehr schönen. Aber da hat es geheißen, denn müsse man abliefern. Und ich war so dumm und habe ihn wirklich hinüber getragen zum Feuerwehrhaus in Gassen.
Beim Pirner waren nämlich Feldgendarmen einquartiert und beim Gassner waren drei Flak-Geschütze aufgestellt. Von den Feldgendarmen war einer von oberhalb Linz, einer aus Deutschland. Dieser hat ein Gewehr gehabt, der Linzer den schönen Karabiner. Dieser hat in zerlegt und ich habe ihm dabei zugesehen. Den Verschluss hat er in die Kartoffelhütte geworfen und mit den Beinen verscharrt, den Karabiner und die Patronen hat er in den Schafkobel geworfen. Ich habe alle Teile wieder gesucht, den Karabiner wieder zusammengebaut und dann damit auf die Steinmauer beim Daxberger geschossen. Da sind die Funken geflogen.
Diesen Karabiner habe ich dann zum Feuerwehrhaus gebracht. Da niemand da war, bin ich zu den Gassner-Häusern gegangen. Da sind einige Leute in der Hütte gewesen, klapprige Pferde haben sie gehabt. Ich habe den Karabiner noch mit Sand eingerieben, um ihn unbrauchbar zu machen. Wie sie den Karabiner gesehen haben, ist einer daher gestürmt und hat ihn mir weggenommen. Hat nicht lange gedauert, da hat er ihn mit einem Kettchen gereinigt, das Kettchen durch den Lauf gezogen, den Verschluss angebracht und schon hat es gekracht. Er hat einfach durch die Scheunenwand geschossen. Daraufhin bin in davongelaufen.
Vater als Gefangenenwächter
Mein Vater hat oft erzählt, dass er schon im Ersten Weltkrieg dabei war. Im Zweiten Weltkrieg war er als Gefangenenwächter eingeteilt und hat erzählt, wie es ihm dabei ergangen ist.
Wenn er in einem Gefangenenlager mit den Gefangenen zur Arbeit hinausgeschickt wurde, waren meistens drei bis fünf Gefangene mit. Sie sind zu den Bauern gegangen, um Kartoffel zu klauben oder sonst eine Arbeit zu verrichten. Er hat dabei immer geschaut, dass er für die Gefangenen auch etwas zum Essen bekommen hat, was er nicht tun hätte dürfen. Die Gefangenen haben das gleich mitbekommen und haben daher fleißiger gearbeitet. Es ist auch nie einer davon gelaufen. Weil er so gut mit den Gefangenen umgehen konnte, war er nie lange in einem Gefangenenlager, sondern wurde wieder versetzt.
Einmal ist er auch mit Gefangenen zu einer Bäuerin zum Kartoffelklauben gegangen. Er hat zu ihr gesagt, sie solle einen Topf Kartoffel kochen. Diesen haben sie dann gegessen und haben der Bäuerin ein Busserl mit der Hand hingeschmissen, worauf alle gelacht haben. Mein Vater hat den Gefangenen aber immer verboten, Kartoffeln mitzunehmen, denn da würden sie sich verraten. Das haben die Gefangenen auch immer befolgt. Alle Gefangenen wollten immer mit ihm gehen, weil sie wussten, dass sie da auch etwas zu essen bekommen würden. So ist er wieder versetzt worden.
Dummheiten nach dem Krieg
Nach dem Krieg wurden MG-Ketten in die Sonnwendfeuer geworfen. Das hat uns gefallen, wie sie so davongepfiffen sind. Dann haben wir einige Leuchtraketen abgeschossen. Eine ist nicht losgegangen, die haben wir dann auch in das Sonnwendfeuer geworfen. Da haben wir kein Feuer mehr gehabt – das ganze Feuer wurde zerrissen. So dumm sind wir gewesen, es hätte uns selbst vieles passieren können – aber schön ist es gewesen.
Geschossen haben wir, was gegangen ist – was wir auch nicht tun hätten dürfen.
Wie die Soldaten davon sind, wurde ein ganzer Lastwagen voll Munition und Kriegsgerät beim Schützenhofer im Holz in die Luft gesprengt. Da haben beim Pirner die Fenster gescheppert und alles hat es geschüttelt. Ein großer Graben ist entstanden, das Auto auf Fetzen zerrissen, Bäume geknickt. Ein furchtbarer Anblick.
Quelle: Heinrich Hahn (Leimhofer), Großerlau 9, aufgezeichnet von Karl Hahn, überarbeitet von Maria Fichtinger.
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Russenüberfall auf das Wegerer-Haus
(Franz Leonhartsberger, Karl Hahn)
Nach Kriegsende zogen russische Soldaten durch das Land und plünderten die hilflose Bevölkerung aus. Ich kann mich erinnern, dass an einem schönen Nachmittag, als die Haustüren nicht verschlossen waren, plötzlich Russen mit gezogenen Revolvern ins Haus stürmten und über die Bodenstiege ins Obergeschoß liefen. Sie waren mit einem LKW auf der Straße nach Dimbach gekommen, hatten diesen auf dem Gruber Feld abgestellt und waren entlang des Kobels und des Kamleitner Hags unter den Obstbäumen auf unser Haus zugeschlichen. Damals gab es die Straße nach Pabneukirchen noch nicht, diese wurde erst in den 50iger Jahren gebaut. Unser Haus war verkehrsmäßig nicht erschlossen und nur über einen Hohlweg vom Markt aus erreichbar. Ich war damals ein 9-jähriger Bub und wurde von meiner Mutter sofort nach Dimbach zum Ortsbeauftragten Hönigschmied geschickt. Das war ein Wiener, der wegen der Kriegswirren in Wien nach Dimbach gekommen war. Er verhandelte damals für die Dimbacher mit der russischen Kommandantur.
Ich lief in den Markt und traf beim Neulinger den Hönigschmied. Ich sagte ihm, dass mein Elternhaus gerade von russischen Soldaten geplündert werde. Er erklärte mir, dass ich Glück hätte, denn die Kommandantur sei gerade in Dimbach und versuche Kartoffeln aufzutreiben. Ich versprach ihm sogleich, dass ihnen mein Vater bestimmt Kartoffeln geben werde, wenn sie zu uns nach Hause kommen und uns helfen würden. So gingen sie widerwillig den Weg zu meinem Elternhaus. Unterwegs trafen wir meinen Vater, der aus Sorge, weil niemand aus dem Ort zu Hilfe gekommen war, nachgelaufen kam. Er versprach ihnen auch die Kartoffeln. Es waren ein Offizier und mehrere Soldaten. Der Offizier ging sogleich ins Vorhaus hinein, die Soldaten stellten sich links und rechts der Bodentür mit gezogenen Waffen auf. Dann brüllte der Offizier etwas in russischer Sprache die Stiege hinauf. Plötzlich kamen die Plünderer herab, sahen die Soldaten und den Offizier, wurden weiß und blieben stocksteif stehen. Der Offizier schrie noch eine Weile herum, die Soldaten nahmen die Personalien auf und jagten die Plünderer zu ihrem LKW. Was dann mit ihnen geschah, konnten wir nicht mehr erfahren. Der Offizier war froh, dass er die Kartoffeln bekam, und wir waren froh, dass wir unbeschädigt davon gekommen waren.
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