Russenüberfall auf das Wegerer-Haus
(Franz Leonhartsberger, Karl Hahn)
Nach Kriegsende zogen russische Soldaten durch das Land und plünderten die hilflose Bevölkerung aus. Ich kann mich erinnern, dass an einem schönen Nachmittag, als die Haustüren nicht verschlossen waren, plötzlich Russen mit gezogenen Revolvern ins Haus stürmten und über die Bodenstiege ins Obergeschoß liefen. Sie waren mit einem LKW auf der Straße nach Dimbach gekommen, hatten diesen auf dem Gruber Feld abgestellt und waren entlang des Kobels und des Kamleitner Hags unter den Obstbäumen auf unser Haus zugeschlichen. Damals gab es die Straße nach Pabneukirchen noch nicht, diese wurde erst in den 50iger Jahren gebaut. Unser Haus war verkehrsmäßig nicht erschlossen und nur über einen Hohlweg vom Markt aus erreichbar. Ich war damals ein 9-jähriger Bub und wurde von meiner Mutter sofort nach Dimbach zum Ortsbeauftragten Hönigschmied geschickt. Das war ein Wiener, der wegen der Kriegswirren in Wien nach Dimbach gekommen war. Er verhandelte damals für die Dimbacher mit der russischen Kommandantur.
Ich lief in den Markt und traf beim Neulinger den Hönigschmied. Ich sagte ihm, dass mein Elternhaus gerade von russischen Soldaten geplündert werde. Er erklärte mir, dass ich Glück hätte, denn die Kommandantur sei gerade in Dimbach und versuche Kartoffeln aufzutreiben. Ich versprach ihm sogleich, dass ihnen mein Vater bestimmt Kartoffeln geben werde, wenn sie zu uns nach Hause kommen und uns helfen würden. So gingen sie widerwillig den Weg zu meinem Elternhaus. Unterwegs trafen wir meinen Vater, der aus Sorge, weil niemand aus dem Ort zu Hilfe gekommen war, nachgelaufen kam. Er versprach ihnen auch die Kartoffeln. Es waren ein Offizier und mehrere Soldaten. Der Offizier ging sogleich ins Vorhaus hinein, die Soldaten stellten sich links und rechts der Bodentür mit gezogenen Waffen auf. Dann brüllte der Offizier etwas in russischer Sprache die Stiege hinauf. Plötzlich kamen die Plünderer herab, sahen die Soldaten und den Offizier, wurden weiß und blieben stocksteif stehen. Der Offizier schrie noch eine Weile herum, die Soldaten nahmen die Personalien auf und jagten die Plünderer zu ihrem LKW. Was dann mit ihnen geschah, konnten wir nicht mehr erfahren. Der Offizier war froh, dass er die Kartoffeln bekam, und wir waren froh, dass wir unbeschädigt davon gekommen waren.
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