Aus dem Leben eines Schneidermeisters
Quelle: Konrad Aistleitner, Schneidermeister, Dimbach 9a, aufgezeichnet von Maria Fichtinger
Ich wurde am 23.6.1927 geboren.
Ein Grund für meine Berufsentscheidung war, dass ich als Kind nie ein „gescheites“ Gewand hatte. Da dachte ich mir: ‚Wenn ich Schneider wäre, könnte ich mein Gewand selber nähen.‘ Jedes Jahr beim Schulaufsatz, „Was ich einmal werden möchte?“, schrieb ich über den Schneiderberuf.
Meine Mutter meinte, Schneider zu sein wäre was für mich, und vielleicht könnte ich einmal bei Julius arbeiten, einem Schneider in St. Georgen/W., der von einem kinderlosen Wiener Schneiderehepaar angenommen worden war.
Nach dem Ende der Schulzeit im Jahr 1941 musste man ein „Landjahr“ machen, bevor man einen Beruf erlernen durfte. Der Vater fragte in Grein beim Schneider Wurzer an, ob er einen Lehrling brauchen könnte. Dieser hatte jedoch bereits jemand anderem eine Zusage gegeben.
Vor meinem Elternhaus ging manchmal ein Wiener vorbei zur Burgstallmauer. Es entwickelten sich unter anderem auch Gespräche über meinen Berufswunsch. Der Wiener versprach, sich um eine Lehrstelle umzusehen. Er lud mich auch einmal nach Wien ein und zeigte mir die Stadt.
Als ich zu arbeiten anfing, begleitete mich mein Vater zu Fuß nach Grein. Das war ein Marsch von ca. 3 ½ Stunden. Mit dem Zug fuhr ich anschließend nach Wien. Am 1. September 1942 begann in Wien meine Lehre in einer größeren Firma (Uniform- und Maßschneiderei) mit 40 Leuten. Mein Motto lautete: „Wenn ich schon was lerne, dann soll ich auch was können." Es war in diesem Betrieb nicht wichtig, dass man nur etwas tat, sondern, dass man etwas lernte.
Ich musste mich um Wohnung und Kost selber umschauen und verdiente 2,24 Mark. Auch von zu Hause war Unterstützung notwendig. Zu Weihnachten kam ich das erste Mal nach Hause.
Nach einigen Monaten bekam ich eine Verständigung vom Schneider Wurzer aus Grein, dass er jetzt doch einen Lehrling brauchen könnte. Also kündigte ich in Wien und begann im April 1943 in Grein. Beim Wurzer hatte ich auch einen Schlafplatz und die Kost.
Damals waren weite Hosen modern, welche die Schuhe verdeckten, wenn man stand.
Anfang Jänner 1945 bekam ich die Einberufung. Einen Tag vorher konnte ich noch meine Lehrabschlussprüfung in Perg ablegen. Von 14 Uhr bis 22 Uhr hatte ich Zeit ein Rockvorderteil zu nähen.
Als ich einrückte, kam ich zum Arbeitsdienst. Beim Gewandfassen war ich mit den Teilen, die man mir gab, nicht zufrieden. Als ich erklärte, dass ich Schneider wäre, durfte ich mein Gewand selber aussuchen.
Ich musste öfter für die Herren und Chefs etwas anfertigen oder Reparaturarbeiten erledigen.
Nach dem Krieg war mit der Arbeit nicht viel los. Es gab keinen Stoff und es war höchstens Gewand zum Umarbeiten da.
Meine erste Arbeitsstätte nach dem Krieg war in Königswiesen. Ich verdiente dort 2 Schillinge pro Woche und konnte dort auch wohnen und essen. Mein Schlafplatz war am Dachboden unter den Dachziegeln. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mir einmal kalt gewesen wäre, obwohl man am Morgen vom Atmen an der Bettdecke einen Kranz wie aus Zuckerwatte hatte. Am Wochenende kam ich nach Hause. Im Winter ging ich zu Fuß, im Sommer war ich mit dem Fahrrad unterwegs.
Eines Tages fragte ich bei besagtem Julius in Wien an, ob ich nicht bei ihm arbeiten könnte. Doch dieser hatte, da er Nazi war, sein Geschäft verloren. Die Betreiberin, die sein Geschäft nun hatte, nahm es mit der Bezahlung nicht genau.
Am 11. Oktober 1948 wechselte ich in eine andere Schneiderei und blieb dort 5 Jahre.
Mittlerweile hatte ich auch meine Frau für´s Leben gefunden und wir heirateten im Jänner 1949. Die Zeiten wurden langsam besser, trotzdem musste man sich beim Bäcker anmelden, damit dieser die entsprechende Menge Mehl zum Brot backen bekam.
In dieser Zeit machte ich auch meine Meisterprüfung. Ich wollte mir für den besagten Tag am Abend noch mein Gewand zurechtlegen, ließ es aber dann doch sein. Zum Glück! Ich hörte nur ein Rumpeln und dann den Rauchfangkehrer. Durch ein Türl, das wir noch gar nicht bemerkt hatten, fuhr der Ruß aus und bedeckte die ganze Wohnung.
Als ich mit der Straßenbahn zur Prüfung fuhr, saß ich in einem Abteil, das fast leer war, nur ein Mann saß noch drinnen. Es war Julius. Er wünschte mir alles Gute für die Prüfung. Ich hatte ihn an diesem Tag das letzte Mal gesehen.
Mein Chef in Wien sprach auch öfter von einem Julius. Erst nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass es der gleiche Julius war, den auch ich kannte.
Bis 1953 lebten meine Frau und ich in Wien. Als wir wieder nach Dimbach zurück kehrten, lebten wir anfangs im Elternhaus (Heiligenbrunner – Enengl) meiner Frau. Im Gegensatz zu Wien gab es am Land außerhalb des Ortes noch keinen Strom.
Ich ließ mir einen Ofen für die Bügel-Eisen anfertigen. Der Ofen hatte drei Kammern in der Form eines Bügeleisens, in denen die Eisen erhitzt wurden. Der Nachteil war, dass man auch im Sommer den ganzen Tag heizen musste. Der Ofen kostete zur damaligen Zeit 1500 Schillinge. Er wurde auch zum Kochen genützt, einen eigenen Arbeitsraum hatte ich damals nicht, Wohnraum und Arbeitsraum waren in einem.
Eine Nähmaschine kaufte ich von meinem ehemaligen Chef in Wien. Sie wurde mit einem Rad durch Treten angetrieben. Als Beleuchtung diente eine Petromax-Lampe.
1956 zogen wir in unser neues Haus, dort hatte ich dann auch eine Schneiderwerkstatt. 1957 kaufte ich die erste elektrische Nähmaschine, zum Bügeln kam ein Dampfbügeleisen zum Einsatz. 1963 nahm ich einen Lehrling auf, der 14 Jahre in meiner Schneiderei arbeitete.
Foto: Konrad Aistleitner beim Bügeln. (46/226)
Gearbeitet wurde oft viele Stunden, damit alles zum vereinbarten Termin fertig war. Von Herbst bis nach dem Fasching arbeiteten wir oft den Tag und die halbe Nacht durch. Viele Kundschaften kamen am Sonntag nach dem Amt, dann mussten sie nicht extra fahren.
Einmal hatte ich 14 Leute in der Werkstatt, da wusste ich schon nicht mehr, wie ich mich umdrehen sollte. Im Laufe der Jahre hatte ich sehr viele Kundschaften.
Als mit den Jahren immer mehr Leute ihr Gewand in den Geschäften kauften, weil es auch nicht teurer als beim Schneider war, war meine Klientel eher wohlhabendere Leute wie Doktoren, Richter und Anwälte.
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Eisbrechen in Dimbach (Franz Leonhartsberger, Karl Hahn)
Bei den Gasthäusern in Dimbach gab es früher große Nebengebäude, die mit Sägespänen und Stroh zwischen mächtigen Balken dick isoliert waren. Es waren die sogenannten Eiskeller, die für die Kühlung der Getränke und Speisen verwendet wurden. Der letzte Eiskeller, der noch bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts stand, war der Mach-Eiskeller. Er befand sich südwestlich des Wirtschaftsgebäudes und war freistehend. Angebaut waren damals die Holzlagerhütten für den Gruber Bäcker. In diesen Holzkellern wurden das ganze Jahr über mächtige Eisblöcke gelagert, die für die nötige Kühlung sorgten. Davon kommt auch der Ausdruck „etwas auf Eis legen“. Später kamen dann die kleineren Kühlräume, die mit Kühlaggregaten ausgestattet waren.
In den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts, daran kann ich mich noch erinnern, wurden im Herbst Teiche angestaut, aus denen dann im Winter, wenn es sehr kalt war, mit Sägen und Hacken das Eis gebrochen und mit den Pferdeschlitten in die Eiskeller gebracht wurde. Ich kann mich noch an einen sehr kalten Winter erinnern, als beim „Kamleitner Dreizipf“, oberhalb unseres Mooses, der Wiesengraben angestaut war und die Männer vom Markt mit den Pferdeschlitten das Eis über unser Feld in den Markt hinauf transportierten. Es waren dies der Menzl Knecht, der Staudinger Gustl und die Weinzinger Fuhrleute, die für den Mach, der ihr Holzeinkäufer war, fuhren. Sie brachen das Eis aus dem angestauten Wiesengraben heraus und luden es auf die Pferdeschlitten. Sie hatten dicke Fäustlinge an und Lederschurze um, damit sie nicht nass wurden. Auch einige Bauern, welche nicht im Krieg waren, waren gebeten worden zu helfen. Die alten Eisreste wurden aus dem Keller gebracht, alles gereinigt, und das frische Eis kam hinein. Das musste dann wieder bis zum nächsten Jahr halten. Ich weiß noch, wie die Wirte immer auf starken Frost hofften, damit das Eis schön dick wurde. Das war damals die starke Winterarbeit, auf die sich die Bauern gefreut hatten, denn da gab es eine gute Jause und Freibier vom Wirt, dem sie geholfen hatten. Und die Pferde mussten im Winter ohnedies hinaus, damit sie nicht „stallkrumm“ würden, wie die Bauern zu sagen pflegten.
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