Veteranen des Handwerks (Josef Puchner)
Zwei verdienten Altmeistern gilt unser Besuch, die mehr als ein halbes Jahrhundert lang in Treue mit ihrem Handwerk verbunden waren.
Foto: Schneider Payreder (47/522)
Der Schneidermeister Karl Payreder bewohnt – eine halbe Gehstunde von Dimbach entfernt – ein schmuckes, einsam gelegenes Häuschen. Gern erzählt der rüstige Dreiundsiebzigjährige einiges aus seinem Leben.
1893 trat Karl Payreder in Bad Kreuzen in die Lehre ein. Vier Jahre dauerte die Ausbildungszeit, obwohl gesetzlich eigentlich nur drei Jahre vorgeschrieben gewesen wären. Die Ursache hiefür lag darin, dass sein Vater, ein armer Schneidermeister, kein „Lehrgeld“ für ihn entrichten konnte.
Wir staunen: Damals hatte teilweise der Lehrling dem Meister einen gewissen Betrag zu bezahlen oder es wurde – wie in diesem Falle – die Lehrzeit verlängert.
„Vom frühen Morgen bis zum späten Abend musste ich flink die Nadel führen“, plaudert der Meister munter weiter, „nebenbei hatte ich noch den Kuhstall in Ordnung zu halten und als ‚Mädchen für alles‘ sogar Windeln zu waschen.
Für mich kleinen Lehrjungen war oftmals das Tragen der Handnähmaschine – mein Meister war noch ein richtiger ‚Störschneider‘ – über Berg und Tal zu den abgelegenen Bauernhöfen keine leichte Aufgabe.“
1902 eröffnete Karl Payreder sein eigenes Geschäft in Dimbach; er war der dritte selbständige Meister in der Ahnenreihe. Zwei Jahre später führte er seine Frau zum Traualtar.
Zwölf Kinder schenkte sie ihm, von denen leider die Mehrzahl in jungen Jahren starb. Ein Sohn fiel im zweiten Weltkrieg. Ein Sohn trat in die Fußstapfen des Vaters und übte auch das Schneiderhandwerk aus.
Unser zweiter Besuch gilt dem 71-jährigen Wagnermeister Franz Steiner in Dimbachreith. Gemütlich an seinem Pfeifchen schmauchend, begrüßt er uns. Er verkörpert einen echten, bodenständigen Mühlviertler Handwerksmeister, der zeitlebens immer ehrlich und rechtschaffen den Mitmenschen gedient hat. Sein ganzes Leben war mit rastloser Arbeit erfüllt, das Wort „Urlaub“ kennt er nur vom Hörensagen her.
Vor 53 Jahren trat der damals junge Franz in Waldhausen in die Lehre. Nach den Gesellenjahren übernahm er das Geschäft des Vaters.
„Heute bekommen die Lehrlinge einen Lohn“, sagt er, als wir auf seine Ausbildungszeit zu sprechen kommen, „die Arbeitszeit ist glücklicherweise wesentlich kürzer als früher. Ich musste bei meinem Lehrmeister auch in der Landwirtschaft mitarbeiten, im Sommer häufig um 4 Uhr früh aufstehen. Ein Werktag mit 17 Arbeitsstunden war gar nicht so selten …“
Der Meister diente im ersten Weltkrieg beim Militär. Nach dem Krieg starb seine erste Frau, die ihm drei Kinder geschenkt hatte. Ein Sohn fiel im letzten Krieg.
„Die gute, alte Zeit“, meint der Meister, „war nicht so gut, wie manche zuweilen glauben. Wenn man zurückdenkt und vergleicht, muss man sagen, dass heute doch so manches wesentlich besser ist als früher.“
Auszug aus: Mühlviertler Nachrichten vom 14. August 1952. Autor: Josef Puchner
Zur Info:
Der im Puchner Beitrag beschriebene Schneidermeister Karl Payreder war lt. Pfarrchronik Inwohner am Kayr-Inhäusl, verehelicht 1904 mit Maria Heiligenbrunner.
Lt. Trauungsbuch wohnte er zum Zeitpunkt der Trauung in Gassen 51 (Auger) . Seine Eltern waren Inwohner am Wegererhäusel, Vorderdimbach 3 (Restmauern am Riegelweg).
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