Vor dem Revolverlauf eines russischen Offiziers
(Franz Leonhartsberger, Karl Hahn)

Nach Kriegsende gab es viele Übergriffe russischer Soldaten auf die Landbevölkerung in Österreich. So blieben auch wir nicht davon verschont. In sehr schlechter Erinnerung ist mir eine Begebenheit, die ich als 9-jähriger Bub miterleben musste.

Es war im Sommer 1945, als über das Feld her ein russischer Kübelwagen ratterte. Er blieb bei unserer Hofeinfahrt stehen, und ein russischer Offizier mit einem Fahrer kam in den Hof herein. Meine Eltern und wir kleinen Kinder waren im Hof und sahen voll Misstrauen den fremden Mann an. Er verlangte in verhältnismäßig gutem Deutsch die Herausgabe eines Motorrades, das wir versteckt hätten. Mein Vater sagte, er habe kein Motorrad und habe auch nie eines besessen. Der Russe bezichtigte meinen Vater der Lüge und verlangte, nachschauen zu dürfen. Das wurde ihm selbstverständlich gestattet. Er ging mit dem Fahrer in den Stadel und stocherte in den Strohresten, die noch drinnen waren, herum, ging auf den Heuboden, in die Streuhütte und sah überall nach. Klarerweise fand er nichts. Daraufhin wurde er fürchterlich wütend und sagte zu meinem Vater, dass er ihn erschießen werde. Er zog auch seinen Revolver und fuchtelte damit herum. Er riss meinem Vater das Hemd auf, setzte ihm die Waffe auf die Brust und verlangte nochmals die Herausgabe des Motorrades. Wir Kinder und unsere Mutter weinten sehr, da wir schon glaubten, er würde den Vater erschießen. Nach längerem Hin und Her sah er ein, dass der Vater scheinbar doch die Wahrheit gesagt hatte, wurde friedlich und verlangte ein paar Schweine. Er sah sich die Tiere im Stall an und nahm dann zwei davon. Inzwischen hatte meine Mutter den Brief vom Ukrainer geholt und dem Russen gezeigt. Er las ihn und wurde plötzlich sehr freundlich. Die Schweine wurden aber trotzdem mitgenommen. Sie fesselten die Tiere und legten sie hinten in den Wagen. Zu unserer großen Überraschung zog er ein paar Rubelscheine heraus und bezahlte damit. Was diese Geldscheine wert waren, wissen wir bis heute nicht. Mein Vater bewahrte sie als Erinnerung auf.

Ich habe jedenfalls seit diesem Erlebnis genug von Waffen, Krieg und Soldatentum.