Die Einleger (Maria Fichtinger)
Das wohl dunkelste Kapitel der Altenversorgung in den 30-er Jahren war die „Einlag“. Alle kranken Knechte und Mägde, die nicht mehr arbeitsfähig waren, mussten von ihrer Heimatgemeinde aufgenommen und untergebracht werden.
Da es in Landgemeinden keine Altersheime gab, wurde ein System entwickelt, welches diesem Mangel entgegentreten sollte. Von der Theorie her zwar einleuchtend, in der Praxis aber unbarmherzig und kalt. Je nach Größe des Grundbesitzes musste der Bauer tageweise, von einigen Tagen bis zu 3 Wochen, für Verpflegung und Unterkunft aufkommen. Kaum eingewöhnt mussten sie schon wieder zum Nächsten.
Ein Bild hat sich bei mir besonders eingeprägt. Lichtmess 1936, tagelang schon tobte ein Schneesturm. Von einer Hofausfahrt setzte sich ein Pferdefuhrwerk in Bewegung. Aus dem Windschatten kommend wurde es sofort von der ganzen Wucht des Schneetreibens erfasst. Auf einer armseligen Holzkiste saß mit löchrigen Decken eingehüllt ein kleines, vor Kälte zitterndes Männchen: Der Einleger. Er wurde zum Nachbar gebracht, um dort wieder ein oder zwei Wochen, sozusagen als Asylant zu verbringen. Wer diese im Alter begonnene, unstete Herumstoßerei nicht selbst hautnah gesehen hat, kann sich nicht vorstellen, wie unmenschlich das war. Was war das oft für ein klägliches Bild, wenn ein so verhärmtes Geschöpf in einer Ecke der Stube saß, dem Gespött der Kinder ausgesetzt- Kinder können oft sehr grausam sein- und wartete, bis wieder ein trostloser Tag zu Ende ging. Der Hygiene wurde kaum wo Rechnung getragen und so war es kein Wunder, dass Flöhe und manchmal auch Läuse im Gewand keine Seltenheit waren.
Die Einleger waren in der sozialen Rangordnung auf der untersten Stufe, hilflos und davon abhängig, wie sie der jeweilige Quartiergeber behandelte. Oh ja, es gab viele, die ihrer christlichen Einstellung auch dem Einleger gegenüber gerecht wurden, doch leider auch andere.
Quelle: Franz Hamminger, Lehrjahre sind keine Herrenjahre, auszugsweise Seite 60f.
- Details
- Zugriffe: 549