Flüchtlinge aus Schlesien in Dimbach
(Franz Leonhartsberger, Karl Hahn)

Im letzten Kriegsjahr 1944/45 waren Flüchtlinge aus Schlesien, alles Frauen, bei meinen Eltern in Dimbach einquartiert. Sie stammten aus Breslau und mussten vor den vorrückenden Russen fliehen. Nur mit geringem Gepäck waren sie gekommen. Soweit mir bekannt ist, brauchten sie für Kost und Quartier nichts bezahlen, da sie mittellos waren. Ihre Angst vor den Russen war panisch. Sie waren auch nach Kriegsende noch bei uns.

Eines Tages, am schönsten Nachmittag, mussten wir – und auch die Flüchtlingsfrauen – erleben, wie wir von plündernden russischen Soldaten heimgesucht wurden. Diese kamen mit einem LKW auf der Straße nach Dimbach und stellten diesen auf dem Bauerngruber Feld beim Kühböck ab. Sie schlichen durch den Kobel am Kamleitner „Haag“ entlang unter den Obstbäumen zu unserem Haus. Scheinbar hatten meine Eltern etwas geahnt, denn wir waren alle im Haus und beide Haustüren wurden gut verschlossen. Die Russen droschen mit den Gewehrkolben an die Haustüren und versuchten hereinzukommen. Die Fenster waren damals klein und alle vergittert. So konnten sie bei diesen nicht herein. Die Haustüren hielten dank der vielen Spreizen, mit denen sie verbarrikadiert waren, auch. Die Flüchtlingsfrauen waren halb verrückt vor Angst. Sie waren durch den Schweinestall in die Streuhütte gelaufen und hatten sich in den Strohschwaben verkrochen. Nach fast dreiviertelstündigem Herumdreschen an den Haustüren zogen die Russen dann wieder ab. Die Türen waren arg beschädigt und mussten später erneuert werden. Wir Kinder hatten vor Angst geweint und wollten lange nicht mehr aus dem Haus. Die Schlesierfrauen kamen nach dem Abzug der Russen und nach längerem Rufen meiner Mutter wieder hervor. Meines Wissens waren mein Vater und auch der Knecht, den wir damals hatten, nicht im Haus, sondern mit den Pferden im Wald.

Der Ukrainer Peter war damals nicht mehr bei uns, denn er war bald nach Kriegsende mit seiner Familie in seine Heimat gezogen. Er hatte uns aber ein Schreiben hinterlassen, in dem er wegen der guten Behandlung für uns Fürsprache eingelegt hatte. Es war in kyrillischer und ukrainischer Sprache abgefasst und hatte uns bei Russenüberfällen immer wieder gut geholfen. Pfarrer Wladislaus Wegrzyn übersetzte und das Schreiben später, sodass wir dessen Inhalt wussten.

Mit Kriegsende zogen die Ukrainer mit Pferden und Wagen, beladen mit ihren wenigen Habseligkeiten sowie Frauen und Kindern in ihre Heimat zurück. Von Peter erfuhren wir später, dass er von den Russen ins Militär gezwungen wurde. Was aus der Familie geworden ist, wissen wir nicht. Peter wäre jetzt schon über 90 Jahre alt.