Erinnerungen an die Kriegsgefangenschaft in Russland
Josef Rafetseder (Klein Eder), Dimbachreith 1, bearbeitet von Maria Fichtinger
Ich wurde am 19. März 1924 geboren. Mit 19 Jahren (1943) musste ich nach Znaim (ehem. Tschechei) einrücken, dort waren auch einige Männer aus Dimbach. Nach drei Monaten Ausbildung mussten wir im Krieg dienen.
Unser Trupp rückte bis in die Ukraine vor. Als wir uns wieder zurückzogen, kamen wir mittels „Rittmarsch“ wieder in die ehem. Tschechei, das heißt, wir mussten marschieren oder kamen mit dem Pferd voran, weil es kein Benzin mehr für die Fahrzeuge gab.
In Österreich endete der Krieg am 8. Mai 1945, wir mussten am 7. Mai noch kämpfen. In der Tschechei (Olmütz) wurden wir im Mai 1945 von den Russen gefangen genommen. Diese nahmen uns das wattierte Gewand und die wasserfesten Schuhe weg und gaben uns etwas Schlechteres. Dann mussten wir 200 km nach Auschwitz ins Judenlager marschieren und wurden von dort mit versperrten Viehwaggons nach Sibirien (Tscheljabinsk) transportiert. Die Waggons waren abgeteilt, und auf Brettern konnte man sitzen oder liegen. Seine Notdurft musste man in einen Kübel verrichten.
Einmal liefen zwei Leute davon, daraufhin drohten uns die Russen, dass sie jeden fünften Mann erschießen würden, wenn so etwas noch einmal vorkommen sollte.
In Sibirien mussten wir auf Kolchosen, in einer Ziegelfabrik oder im Wald arbeiten, wo es rudelweise Wölfe gab. Wir mussten oft weit marschieren, um zu den „Arbeitsplätzen“ zu gelangen und wurden von den Russen immer überwacht. Unsere Aufgabe war es auch, Wasser zu holen. Dazu fuhren wir mit Pferden 15 Minuten zu einem See, der völlig zugefroren war. Durch ein Loch schöpften wir mit Kübeln Wasser in einen großen Behälter. Da das Fuhrwerk sehr schmal war, musste man beim Transport sehr vorsichtig sein. Wenn der Wagen kippte, ging die Prozedur von vorne los.
Unser einziger freier Tag war der Samstag.
Zu essen gab es pro Tag drei Stück Brot und Teewasser, Krautsuppe oder schlecht geschälten Hafer und manchmal rohen Fisch.
Im Winter mussten wir gefrorene Kartoffeln ernten, die für die Wodkaerzeugung gebraucht wurden. Wenn wir im Sommer Kartoffeln ausgruben, steckten wir uns manchmal einige beim Hosentürl ein. Zu Hause kochten wir sie dann im Bunker. Das war für uns ein Festessen.
Unser Lager war in Erdbunkern. Diese hatten hinten und vorne ein Fenster und elektrisches Licht, sonst wäre es dort drinnen sehr dunkel gewesen. In einem solchen Erdbunker waren ca. 100 Männer untergebracht. Das gesamte Gelände des Lagers war mit Stacheldraht abgesichert und wurde ständig überwacht. Es gab kein Bett, sondern wir schliefen auf Birkenstäben mit Seegras, unser eigener Mantel diente als Unterlage oder zum Zudecken.
Eine Plage waren die Flöhe und Wanzen, die sich in unseren Lagern einnisteten.
Im Winter war die Kälte unser ständiger Begleiter, draußen hatte es –40 bis –50 Grad, in den Erdbunkern etwas über 0 Grad. Der Winter dauerte von Anfang Oktober bis Ende April und es gab viel Schnee. Nur wenn jemand Holz mitbrachte, konnten wir im Bunker einheizen.
Einmal war meine Nase gefroren, ich musste sie mit Schnee einreiben, dann ging es wieder.
Nach einem Jahr durften wir das erste Mal nach Hause schreiben, dass wir noch lebten.
Nach 18 Monaten (Ende 1946) kamen wir wieder etwas weiter aus Sibirien heraus. Ich litt an Blutarmut (Anämie) und kam deshalb in ein Krankenhaus in Bradschanka. Dort wurde ich wieder gesund gepflegt.
Erst am 17. Dezember 1947 kam ich nach 2 ½ Jahren wieder nach Hause. Ich war 23 Jahre alt und wog nur 47 kg, meine Schwester Rosl erkannte mich nicht, als ich ihr auf dem Weg zur Kirche begegnet war.
Auch später dachte ich noch oft an diese schlimme Zeit und an das Glück, dass ich wieder nach Hause kommen konnte.
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