Kriegserlebnisse von 1941 bis 1946

Josef Lumesberger (Ober Eberstorfer), Gassen 15, aufgezeichnet von Franz Leonhartsberger, bearbeitet von Maria Fichtinger

Ich sollte im Herbst 1941 von der deutschen Wehrmacht zur Wehrertüchtigung eingezogen werden, kam aber erst im Frühjahr 1942 nach Kammer-Schörfling zur Wehrertüchtigung, da die Männer in der Landwirtschaft zu wenig waren. Ich wurde dann zurückgestellt und schließlich am 7. Dezember 1942 zur deutschen Wehrmacht nach Krumau an der Moldau eingezogen. Ich wurde der 145. Infanterie Division Deutschmeister zugeteilt und diente dort.

Nach kurzer Ausbildung kamen wir nach Kroatien in ein Lager namens Pretge, das war unweit von Agram. Dort wurden wir gleich gegen die Partisanen eingesetzt, bis Stalingrad aufgegeben wurde. Von dort kam der Rest der Soldaten von Russland nach Sison in Frankreich. Mit uns aus Kroatien wurde die Einheit wieder aufgefüllt, und es sollte dann wieder nach Russland gehen. In der Zwischenzeit war Mussolini umgefallen und hatte Hitler den Kampf angesagt. So wurden wir dort eingesetzt und mussten nach Italien und die italienischen Soldaten und die Zivilen entwaffnen.

Es gab sehr viele Italiener, die mit Ross und Wagen zu den Partisanen gegangen und mit diesen vermischt waren. Diese zu entwaffnen war sehr schwer, da man nie wusste, wo der Feind sitzt. Mir wurde dabei beispielsweise das Fahrrad zerschossen.

Ende 1943 ging es an die Südfront nach Monte Cassino. Die Amis waren schon eine Woche hinter uns her, aber es hieß, es gäbe kein Zurück.

In der Nacht vom 5. auf den 6. Jänner 1944 wurde ich von amerikanischen Einheiten gefangen genommen. Sie warfen mir etwas in das Schützenloch, ich konnte nicht sehen, ob es eine Handgranate oder ein Stein war, denn es war Nacht.

Mir war Gott sei Dank nichts passiert, mein Schutzengel war immer bei mir.

Wir wurden zu einer Sammelstelle nach Naversa gebracht und mussten auch verwundete Amis mitnehmen. Wir hatten großen Hunger. Zum Glück hatten die Amerikaner die Taschen voll Süßigkeiten und ließen uns daran mitnaschen. Als genug Gefangene beisammen waren, wurden wir mit einem Schiff in 22 Tagen nach Amerika gebracht. Die Fahrt war sehr anstrengend, da viele seekrank wurden und das Essen aus der Dose auch nicht das Wahre war. Die Fahrt dauerte deshalb so lange, weil die Gefahr, von deutschen U-Booten angegriffen zu werden, sehr groß war, und die Gefangenentransportschiffe oft weite Umwege machen mussten.

In Norfolk, unweit von New York in den USA, konnten wir endlich wieder Land besteigen. Von dort ging es mit der Bahn in drei Tagen und drei Nächten ununterbrochener Fahrt nach Colorado ins Camp Greeley. Das war ein ganz neues Lager und alles war für unsere Begriffe sehr gut. Die Verpflegung und die Behandlung waren ganz in Ordnung. Im Winter hatten wir keine Arbeit und im Sommer holten uns die Farmer der Umgebung zur Arbeit. Am Abend brachten sie uns wieder ins Lager zurück. Auch im Hospital „Ohio“ gab es für uns allerhand Arbeiten.

Nach Kriegsende wurde uns eine baldige Heimreise in Aussicht gestellt, aber es kam anders, denn die Gefangenen, die aus Wien stammten, fingen mit den Deutschen zu streiten an.

Die Gefangenen wurden dann in Österreicher und Deutsche getrennt. Die Österreicher waren aber zu wenige für einen Heimtransport. So kamen wir nur bis nach Frankreich und mussten dort in einem Lager bis 6. April 1946 auf die Heimreise warten. Wir wurden im Lager St. Pölten entlassen und mussten nach Amstetten zurückfahren, von dort ging es dann zu Fuß endlich heim nach Dimbach.

Dolmetscher und „Totengräber“ (Josef Puchner)

Um den 20. April 1945 herum - die Russen standen vor St. Pölten und die Amerikaner in Bayern — erhielt ich die Einberufung: Ich wurde aufgefordert, mich im Schlosse Innernstein bei Münzbach einzufinden. Meine Eltern jedoch beratschlagten, wie ich Zeit gewinnen könnte. Ich legte mich mit einer "schweren Verkühlung" ins Bett; der Hausarzt bestätigte die "Verkühlung, verbunden mit Angina" mit seiner Unterschrift.

Als Linz am 25. April den schweren Luftangriff erlebte, befand ich mich im Bett, um bei einer etwaigen Kontrolle nicht gesund angetroffen zu werden. Doch als über Dimbach ein amerikanischer Bomber brennend abstürzte, hielt es mich nicht mehr länger im Bett. Ich wollte mir das grausige Schauspiel - die Maschine glich einer Riesenfackel - nicht entgehen lassen.

In den nächsten Tagen wagte ich mich auch auf die Straße. Beim Obergrammersdorfer-Bauern hatten sich amerikanische und englische Kriegsgefangene niedergelassen. Die Gefangenen waren ohne Bewachung von Krems aus beim Nahen der russischen Truppen einfach in Richtung Westen in Marsch gesetzt worden. Nun wollten sie bei dem Bauern das Kriegsende abwarten. Mit meinem Schulenglisch gewann ich die Freundschaft der Gefangenen und spielte gelegentlich den Dolmetscher. Als am 5. Mai unvermutet amerikanische Panzerspitzen bis gegen Saxen vorgedrungen waren, verständigte ich die Gefangenen. Diese zeigten sich überglücklich. Wir bestiegen einen Hügel und horchten nach dem Kampflärm, der aus etwa zehn Kilometer Entfernung zu hören war.

Man zeigte sich allgemein froh darüber, dass die amerikanischen Truppen so nahe waren, hoffte man doch, dass der Ort nicht von den Russen, sondern von den Amerikanern besetzt werden würde. Die deutsche Gräuelpropaganda hatte den Leuten eine ungeheure Angst vor den Russen eingeimpft: Wo der Russe hinkommt, macht er alles nieder!

In der Nacht vom 5. auf den 6. Mai besetzte eine zurückweichende SS-Einheit Dimbach. Der Ort sollte verteidigt werden. Vor meinem Elternhause an der Straße nach Pabneukirchen gingen drei Geschütze in Stellung. In wenigen Stunden erwartete man den Angriff der amerikanischen Panzer.

Wir verließen das Haus und mit wenigen Habseligkeiten suchten wir bei einer befreundeten Familie Unterschlupf. Doch unterdessen erhielt ich einen neuen Auftrag. Ein Offizier suchte "zwei Hitlerjungen", die als "Melder" eingesetzt werden sollten, wenn die Verbindung zu vorgeschobenen Stellungen abbrechen sollte. Der Bürgermeister, an den sich der Offizier wandte, wählte einen Gymnasiasten und mich für diese "schöne Aufgabe" aus. In der Hofeinfahrt des Kaufhauses Riener meldeten wir uns beim zuständigen Offizier, der uns aufforderte, uns für einen etwaigen Einsatz bereitzuhalten. Wir hatten verständlicherweise ein höchst ungutes Gefühl im Leibe. Glücklicherweise wurden wir in den nächsten Stunden nicht benötigt; später verdrückten wir uns unauffällig, als bereits mehr und mehr Verwirrung aufkam. Die Amerikaner standen nämlich nicht nur vor Grein, sondern im Nordwesten auch bereits im Raume Königswiesen, wo ein amerikanischer Angriff zum letzten Mal zurückgeschlagen werden konnte. Die Deutschen hatten dabei neun Tote.

Glücklicherweise stießen die amerikanischen Truppen nicht mehr weiter vor, da Kapitulationsverhandlungen im Gange waren; außerdem war laut Konferenzbeschluss der Alliierten in Jalta das Mühlviertel ohnehin zum russischen Besatzungsgebiet erklärt worden, eine Tatsache, die jedoch erst viel später bekannt wurde.

In den nächsten Tagen lösten sich die deutschen Truppenverbände auf. Die Soldaten versuchten, sich auf eigene Faust in ihre Heimat durchzuschlagen.

Wir erwarteten stündlich die Besetzung durch die Amerikaner. Am Morgen des Christi-Himmelfahrts-Tages — am 10. Mai - erschien der spätere Bürgermeister von St. Georgen am Wald, Franz Leomann, im Hause meiner Eltern und fragte, ob ich mich an einer von ihm geplanten besonderen Aktion beteiligen würde. Die Besatzung des am 25. April abgestürzten Flugzeuges war in einem ziemlich unwegsamen Gebiet an der Absturzstelle im Walde verscharrt worden. Er meinte, die amerikanischen Besatzungstruppen würden es übelnehmen, dass man die toten Flieger nicht im Ortsfriedhof beigesetzt hatte. Er wollte nun mit einigen Helfern das Versäumte nachholen und die Toten umbetten. Ich sollte dabei helfen.

Ich empfand starke Hemmungen vor solch ungewohnter Totengräberei, doch ich wollte — meine Eltern waren einverstanden — nicht nein sagen. So zogen wir am Nachmittag des Feiertages mit Krampen und Schaufeln aus; die nötigen Särge transportierten wir auf einem Pferdewagen. Dann machten wir uns an der Absturzstelle in der Nähe des Zeitlhofer-Bauern an die Arbeit. Innerhalb einer Stunde hatten wir drei Tote exhumiert, zwei oder drei weitere lagen noch in ihren Gräbern.

Da erschien plötzlich ein Bub von einem nahegelegenen Bauernhaus und rief uns zu: "In Dimbach sind die Russen, schon seit ungefähr zwei Uhr."- Wir wollten die Nachricht einfach nicht glauben. Vielleicht handelte es sich um russische Fremdarbeiter! Als uns aber der Bub genau das Aussehen der russischen Uniformen beschrieb, hatte er uns überzeugt. Wir luden die drei Särge auf den Pferdewagen und fuhren bis zur Straße Dimbach ‑ St. Georgen. Tatsächlich, die Straße wimmelte von russischen Soldaten. Sie kamen auf Pferdewagen, die immer wieder von Lastwagen, vollgepfropft mit verwegen aussehenden Gestalten in erdfarbenen Uniformen, überholt wurden.

Ich hatte fürchterliche Angst. Zum ersten Mal sah ich mit eigenen Augen russische Soldaten, die als wahre Teufel in Menschengestalt geschildert worden waren. Was würde nun mit uns geschehen? — Vorderhand geschah gar nichts! Ein Russe versuchte, sich über unsere sonderbare Fracht zu informieren. Doch dies war ungemein schwierig, da er nicht Deutsch und wir kein Wort Russisch verstanden.

So trotteten wir, umgeben von den Soldaten, hinter unseren Särgen nach. Da winkten uns plötzlich von einem Wagen einige bärtige Soldaten freundlich zu; wir winkten schüchtern lächelnd zurück. Der Bann war gebrochen. Wir hatten plötzlich das Gefühl, dass wir uns inmitten von "Menschen" befanden; Menschen, die wohl die gleiche Sehnsucht nach Frieden wie wir hatten und die ein wahnsinniger Krieg schuldlos über tausende Kilometer hierher ins Mühlviertel verschlagen hatte.

In Dimbach stellten wir die Särge mit den Toten in die Leichenkammer. — Auf dem Marktplatz tanzten russische Soldaten zu den Klängen einer Ziehharmonika. Man sagte uns, die Truppen hätten sich bis jetzt diszipliniert verhalten, nur einige Uhren hätten den Besitzer gewechselt. Doch was bedeutete schon der Verlust einer Uhr, wenn man dafür das Leben behielt!

Freilich, in den nächsten Tagen und Wochen konnte das Alltagsleben nicht immer auf diese einfache Formel gebracht werden, doch dies gehört nicht mehr zu diesem Erlebnisbericht des Schülers, der im Herbst 1945 wieder die Schulbank drücken musste.

Quelle: Mühlviertler Nachrichten, 7. Mai 1970

Erinnerungen an die Kriegsgefangenschaft in Russland

Josef Rafetseder (Klein Eder), Dimbachreith 1, bearbeitet von Maria Fichtinger

Ich wurde am 19. März 1924 geboren. Mit 19 Jahren (1943) musste ich nach Znaim (ehem. Tschechei) einrücken, dort waren auch einige Männer aus Dimbach. Nach drei Monaten Ausbildung mussten wir im Krieg dienen.

Unser Trupp rückte bis in die Ukraine vor. Als wir uns wieder zurückzogen, kamen wir mittels „Rittmarsch“ wieder in die ehem. Tschechei, das heißt, wir mussten marschieren oder kamen mit dem Pferd voran, weil es kein Benzin mehr für die Fahrzeuge gab.

In Österreich endete der Krieg am 8. Mai 1945, wir mussten am 7. Mai noch kämpfen. In der Tschechei (Olmütz) wurden wir im Mai 1945 von den Russen gefangen genommen. Diese nahmen uns das wattierte Gewand und die wasserfesten Schuhe weg und gaben uns etwas Schlechteres. Dann mussten wir 200 km nach Auschwitz ins Judenlager marschieren und wurden von dort mit versperrten Viehwaggons nach Sibirien (Tscheljabinsk) transportiert. Die Waggons waren abgeteilt, und auf Brettern konnte man sitzen oder liegen. Seine Notdurft musste man in einen Kübel verrichten.

Einmal liefen zwei Leute davon, daraufhin drohten uns die Russen, dass sie jeden fünften Mann erschießen würden, wenn so etwas noch einmal vorkommen sollte.

In Sibirien mussten wir auf Kolchosen, in einer Ziegelfabrik oder im Wald arbeiten, wo es rudelweise Wölfe gab. Wir mussten oft weit marschieren, um zu den „Arbeitsplätzen“ zu gelangen und wurden von den Russen immer überwacht. Unsere Aufgabe war es auch, Wasser zu holen. Dazu fuhren wir mit Pferden 15 Minuten zu einem See, der völlig zugefroren war. Durch ein Loch schöpften wir mit Kübeln Wasser in einen großen Behälter. Da das Fuhrwerk sehr schmal war, musste man beim Transport sehr vorsichtig sein. Wenn der Wagen kippte, ging die Prozedur von vorne los.

Unser einziger freier Tag war der Samstag.

Zu essen gab es pro Tag drei Stück Brot und Teewasser, Krautsuppe oder schlecht geschälten Hafer und manchmal rohen Fisch.

Im Winter mussten wir gefrorene Kartoffeln ernten, die für die Wodkaerzeugung gebraucht wurden. Wenn wir im Sommer Kartoffeln ausgruben, steckten wir uns manchmal einige beim Hosentürl ein. Zu Hause kochten wir sie dann im Bunker. Das war für uns ein Festessen.

Unser Lager war in Erdbunkern. Diese hatten hinten und vorne ein Fenster und elektrisches Licht, sonst wäre es dort drinnen sehr dunkel gewesen. In einem solchen Erdbunker waren ca. 100 Männer untergebracht. Das gesamte Gelände des Lagers war mit Stacheldraht abgesichert und wurde ständig überwacht. Es gab kein Bett, sondern wir schliefen auf Birkenstäben mit Seegras, unser eigener Mantel diente als Unterlage oder zum Zudecken.

Eine Plage waren die Flöhe und Wanzen, die sich in unseren Lagern einnisteten.

Im Winter war die Kälte unser ständiger Begleiter, draußen hatte es –40 bis –50 Grad, in den Erdbunkern etwas über 0 Grad. Der Winter dauerte von Anfang Oktober bis Ende April und es gab viel Schnee. Nur wenn jemand Holz mitbrachte, konnten wir im Bunker einheizen.

Einmal war meine Nase gefroren, ich musste sie mit Schnee einreiben, dann ging es wieder.

Nach einem Jahr durften wir das erste Mal nach Hause schreiben, dass wir noch lebten.

Nach 18 Monaten (Ende 1946) kamen wir wieder etwas weiter aus Sibirien heraus. Ich litt an Blutarmut (Anämie) und kam deshalb in ein Krankenhaus in Bradschanka. Dort wurde ich wieder gesund gepflegt.

Erst am 17. Dezember 1947 kam ich nach 2 ½ Jahren wieder nach Hause. Ich war 23 Jahre alt und wog nur 47 kg, meine Schwester Rosl erkannte mich nicht, als ich ihr auf dem Weg zur Kirche begegnet war.

Auch später dachte ich noch oft an diese schlimme Zeit und an das Glück, dass ich wieder nach Hause kommen konnte.

Kriegsgefangene in Dimbach
(Franz Leonhartsberger, Karl Hahn)

Im späten Frühjahr 1945 zogen, bewacht von einem SS-Unteroffizier und sechs Volkssturmmännern aus Wien, Kriegsgefangene durch Dimbach. Es waren ungefähr 400 ausgehungerte, ausgemergelte Rumänen und Albaner. Sie zogen über das Feld von der Marchsteiner Jubiläumsstraße kommend auf mein Elternhaus zu. Vor dem Haus bogen sie rechts ab und lagerten auf einer Wiese bei einem Teich, die meinen Eltern gehörte. Ich denke noch voll Grauen an eine Szene zurück, die ich miterlebt habe.

Beim Hohlweg vor unserem Haus standen an der Hausgartenböschung Brennnesseln, hoch und üppig. Ein Gefangener sprang aus der Gruppe heraus und riss eine Handvoll Brennnessel ab, um sie zu essen. Der SS-Unteroffizier drosch ihm daraufhin den Karabinerkolben über den Rücken, dass er niederging. Von den Brennnesseln hatte er nichts, denn seine Mitgefangenen rissen sie ihm aus der Hand. Der Boden, wo sich lagerten, war nachher blank, denn alles Gras samt den Wurzeln war ausgerissen und gegessen worden. Daneben war ein Kartoffelacker mit jungen Kartoffeln. Diese wurden in der Nacht ebenfalls ausgegraben und gegessen. Die Folgen waren ein fürchterlicher Durchfall und arge Bauchschmerzen.

Vom Markt kamen immer wieder Menschen herunter, um sich die Gefangenen anzuschauen. Viele hatten Erbarmen und gaben ihnen Lebensmittel. Das führte jedes Mal zu einer Rauferei unter den Gefangenen. Frau Bärnreiter rollte ihnen über die Wiese einen Laib Brot zu. Der SS-Unteroffizier bedrohte sie daraufhin mit vorgehaltenem Karabiner.

In der Nacht versuchte einer der kräftigeren Gefangenen zu fliehen. Der SS-Mann verfolgte ihn zu Fuß. Er kam über das Bauernhader Feld durch den Graben, wo jetzt die Rieglhof Gemeindestraße geht, und verlor dann unweit vom Klein-Spenling die Spur. Bei der Verfolgung hatte er seine Uhr verloren. Er hatte eine fürchterliche Wut, die er dann an den anderen Gefangenen ausließ.

Bei diesem Marsch, der von Grein herein führte, verstarben auch einige der Gefangenen. Sie wurden beim Ringortner Kreuz, so wurde erzählt, begraben. Später sollen sie exhumiert und ihre Leichen in geweihte Erde gebettet worden sein.

Was mit den Gefangenen geschah, ist mir nicht mehr bekannt.

Kriegsgericht in Dimbach

Ein Originalbericht aus der Pfarrchronik S. 347ff

„Mitte April 1945 wird auch Dimbach von starken deutschen Truppen belegt. Der Stab eines Pionierbau-Battailons wird hier einquartiert. Unter diesen Soldaten sind einige sehr gute Organisten, gratis reparieren sie die schwer schadhafte Orgel in der Kirche und stellen einen herrlichen Männerchor zum Soldatengottesdienst am Sonntag den 22. April. Abends wurde bereits jeden Tag ein ausgezeichnetes Soldatenkonzert im Gasthof Schachenhofer gegeben. Mit Musik suchen viele die düstere Stimmung wieder etwas aufzuhellen, aber es will nicht mehr recht gelingen. Die meisten Soldaten erkennen die ganze Hoffnungslosigkeit ihrer Lage. Eine Truppe löst nun die andere ab. Kaum sind die Pioniere abgezogen, taucht eine Feldkommandantur auf, an der Spitze ein General Major, der im Mesnerhause Wohnung nimmt. Ein regelrechtes Kriegsgericht wird hier eingerichtet mit Stabsrichtern und Justizräten. Am Freitag den 20. April wurden in Dimbach nicht weniger als fünf Todesurteile gefällt, aber Gott sei Dank nicht vollstreckt, sondern zur Begnadigung weitergeleitet. Die meisten Fälle sind Desertionen. Darum wurde auch eine Abteilung Feldgendarmerie hieherverlegt, einquartiert beim Stadler, Auger und Kaar, die ständig Streifendienst machte, weil sich die Zahl der Deserteure von Tag zu Tag vermehrte. Auch ein sicheres Zeichen der Auflösung und des Zerfalles. Der Krieg geht mit Riesenschritten seinem Ende entgegen.

Am 25. April, am Markustag, findet hier ein evangelisches Begräbnis statt. Eine aus Baasan in Schlesien evakuierte Frau war beim Wegerer plötzlich gestorben. Sie war nur einen Tag kränklich, wahrscheinlich war das Mutterherz unter den vielen Sorgen und Strapazen zusammengebrochen: Vier Söhne standen im Feld, der Mann war eingerückt und von den anderen Kindern keine Nachricht, selber hatte sie alles verloren und war auf der Flucht bei fremden Leuten. Solche harte Lebensschicksale gibt es heute zu Tausenden. Ein evangelischer Diakon, der hier bei der Feldgendarmerie stationiert war, hielt das Begräbnis um drei Uhr nachmittags. Alle Evakuierten gaben der Verstorbenen das Geleit.

Einige Stunden zuvor, in der Mittagszeit, überflog ein starkes Bombergeschwader unseren Ort. Linz wurde wieder schwer bombardiert. Auch der Dom erhielt einige Treffer und musste vorübergehend für den Gottesdienst gesperrt werden. Längere Zeit kreiste über Dimbach ein viermotoriger Bomber in geringer Höhe, auf einmal setzte er neun Fallschirmjäger ab, flog Richtung St. Georgen weiter und stürzte dann brennend in der Nähe von St. Georgen in den Wald. Die amerikanischen Fallschirmjäger werden sofort von der Feldgendarmerie eingefangen und bis zu ihrem Abtransport ins Lager in der Schule gefangen gehalten. Kurze Zeit darauf fliegt ein Pulk feindlicher Maschinen über uns, plötzlich explodiert eine Maschine in riesiger Höhe, Stichflammen werden sichtbar, das Flugzeug zersplittert in drei Teile und stürzt brennend und trudelnd in die Tiefe. Schon hat es den Anschein, es stürze auf den Markt, aber der Wind verträgt es und die brennenden Teile samt den verbrannten Leichen kommen bei der Krammermühle zur Erde.

Am 27. April um 16 Uhr vereinigen sich die amerikanischen und die russischen Truppen bei Thorgau an der Elbe, Deutschland ist damit in zwei Teile geschnitten. Am gleichen Tag überschreiten amerikanische Truppen bei Breitenberg in der Nähe des Dreisesselberges die oberösterreichische Grenze. Furchtbare Kämpfe toben in Berlin, das von den Russen vollkommen eingeschlossen ist. Bremen wird von den Engländern erobert, Regensburg von den Amerikanern genommen, Brünn von den Russen besetzt. Eine Stadt fällt nach der anderen. München und ganz Bayern wird von den Amerikanern befreit. Die Italienfront bricht vollständig zusammen, die Amerikaner marschieren in Innsbruck ein. Mussolini wird zum zweiten Mal gefangen und von Freiheitskämpfern sofort gerichtet. Am Samstag den 28. April tauchen zum ersten Mal Gerüchte von einem Friedensangebot und von der Kapitulation Deutschlands auf. Die Lage wird von Tag zu Tag kritischer. Gauleiter Eigruber spricht fast täglich im Rundfunk zur Kriegslage. Am 2. Mai ist Berlin gefallen und damit die Entscheidungsschlacht verloren. Der deutsche Rundfunk verkündete Hitler sei tot, angeblich bei der Verteidigung Berlins gefallen, Dönitz sei sein Nachfolger. Die deutsche Armee ist dem Zerfalle nahe.

Am 4. Mai, am Florianitag, stehen die Amerikaner vor Linz. Es ist die 3. amerikanische Armee unter General Pattens, die den Angriff auf Linz eröffnet. Den ganzen Nachmittag und die darauffolgende Nacht rollt es wie ein gewaltiges fernes Gewitter, es ist die feindliche Artillerie, die bei Walding, Rottenegg und auf den Höhen des Pöstlingberges steht und Linz unter Feuer nimmt. Am darauffolgenden Tag ziehen die amerikanische Truppen siegreich in Linz ein, nachdem am darauffolgenden Tag auch Salzburg besetzt wurde. Am 5. Mai um 8 Uhr morgens kapituliert die ganze deutsche NW Armee mit Holland und Dänemark einschließlich. Bereits am 5. Mai dringen die Amerikaner bis Mauthausen und Perg vor und befreien das große Konzentrationslager Mauthausen, in dem nicht weniger als 500.000 Menschen aller Nationen durch die SS zu Tode gequält und gemartert wurden. Es ist ein himmelschreiendes Verbrechen und eine furchtbare Schuld, die der Nationalsozialismus mit den vielen Konzentrationslagern wie Dachau, Mauthausen, Belsen, Maidenegg etc. auf sich geladen hat. Zu Tausenden wurden Polen in Mauthausen hingerichtet, zu Abertausenden die Juden in Auschwitz vergast und verbrannt. Auch viele katholische Priester schmachteten unschuldig in Dachau. Jede Meinungsäußerung war im 3. Reich verboten, das Gewissen geknechtet, jede andere Weltanschauung unterdrückt. Durch volle 7 Jahre herrschten auch in Österreich Gestapo, Blut und Terror. Man durfte kein unrichtiges Wort sagen, viel weniger schreiben, sonst war man am nächsten Tag in Dachau oder Mauthausen. Daraus erklärt sich auch die vorsichtige Schreibweise der Chronik angefangen vom Jahre 1938 bis zum heutigen Datum. Besonders auch die katholische Kirche war durch den Nationalsozialismus unterdrückt und geknechtet. Wie atmete alles erleichtert auf, als wir hörten, die Befreier, die Amerikaner, seien schon in der Nähe. Schon hören wir das amerikanische Maschinengewehrfeuer aus der Richtung Perg - Mauthausen.

Aber für uns sollen die aufregendsten Tage erst kommen. Schon hatten die Nachbarorte weiße Fahnen gehisst und schon wollten auch wir es tun, da kam im letzten Moment am Bittsonntag in der Früh die gefürchtete SS Totenkopf Division in unsere Gegend. Mit einem Schlag verwandelte sich unser friedlicher Ort in ein ganzes Heerlager. An den Ausgängen des Ortes fuhr Artillerie und Pak auf. Mienen wurden gelegt und die letzten Vorbereitungen zum Kampfe getroffen. Im Gasthaus Staudinger war der Gefechtsstand, der Gasthof Menzel wurde für das Rote Kreuz eingerichtet und in wenigen Stunden war mit Kampfhandlungen zu rechnen. Die Abhaltung des Frühgottesdienstes wurde vom Kommandanten noch gestattet, aber die Leute getrauten sich einfach aus Angst nicht mehr herzu. In den Mittagsstunden brachten wir dann noch die wertvolle Statue am Hochaltar, das Gnadenbild der Gottesmutter im Pfarrhofkeller in Sicherheit, dann verließ die ganze Bevölkerung fluchtartig den Ort. Alles stand nun auf des Messers Schneide. Wäre es zu Kampfhandlungen gekommen, von unserem kleinen Orte wäre wohl nicht mehr viel übrig geblieben. Aber wir hatten einen höheren Schutz und die Himmelmutter hatte unser liebes Dimbach nicht vergessen. In den letzten Minuten kam der Befehl: Feuer einstellen. Aber es waren bange Stunden, die wir Sonntag und Montag erleben mussten. Am Sonntag waren alle Ortsbewohner hinaus zu den Bauern geflüchtet. Das Pfarrhofpersonal fand beim Plumpfer gütige Aufnahme. Obwohl die Bitttage waren, konnten Montags und Dienstag früh nur stille hl. Messen gelesen werden, erst am Mittwoch war wieder das erste Amt. Es war eine kritische und bange Bittwoche. Am Montag trat eine kurze Hoffnung ein. Schon hörte man überall von Friedensverhandlungen, aber noch immer hoffte die SS, sie könne wenigstens gemeinsam mit den Amerikanern noch einmal gegen den Russen antreten. Aber am Dienstag wurde auch diese Hoffnung zunichte. Ganz verzweifelt ging nun die SS an die Vernichtung und Sprengung sämtlichen Kriegsgerätes. Die Geschütze wurden gesprengt, die Munition verschossen, die Panzer und die Autos mit Benzin übergossen und angezündet. Es war ein Höllenlärm, der den ganzen Mittwoch nachmittags anhielt. Im Gasthof Menzl lag in diesen Stunden Frl. Viktoria Menzl in den letzten Zügen. Sie sollte den Frieden nicht mehr erleben.  Dienstag den 8. Mai 1945 eine Minute nach Mitternacht trat völlige Waffenruhe ein. Mit Ausnahmen in der Tschechoslowakei, wo noch einige Kampfhandlungen fortdauerten, war auf allen Linien der Kampf eingestellt worden. Deutschland hatte bedingungslos kapituliert.

Der 8. Mai 1945 kann als das Kriegsende in Europa bezeichnet werden. Die Amerikaner stießen bis gegen Grein (Dornach) vor, zogen sich aber am selben Tage wieder bis gegen Mauthausen zurück. Am 10. Mai am Christi Himmelfahrtstage nachmittags tauchten dann die ersten russischen Truppen in Dimbach auf. Weiße Fahnen wurden gehisst, die dann später von den österreichischen Fahnen in Rotweißrot abgelöst wurden. Die kommenden Wochen waren durch einen starken Durchzug der KZler aus Mauthausen gekennzeichnet. Es kommt eine rechtlose Zeit, wo kein Gesetz und keine Ordnung herrscht. Raub und Plünderung sind an der Tagesordnung. In vielen Häusern werden Kleider und Lebensmittel geplündert, die Pferde werden aus den Ställen gerissen, nirgends fühlt man sich sicher. Dieser Zustand dauerte volle vier Wochen. Am 17. Mai vormittags sollte ich zur Frau Haider im Grünerhäusl versehen gehen. Ich ging zur Vorsicht „schwarz“. Aber schon beim Gruberholz begegnete ich einem Wagen mit vier KZlern, die mich anhielten und sagten: „Komm mal her!“. Ich ging ruhig weiter. Beim Grammerstorferholz begegnete ich einem zweiten Wagen mit 12 bis 15 Mann Ukrainern. Ich drückte mich etwas in den Wald zu Leuten, die Reisig hackten, aber sofort kamen 6-7 Mann auf mich zu, durchsuchten mich, nahmen mir das Allerheiligste, gaben es aber nach kurzer Zwiesprache wieder zurück, aber ich musste dafür sämtliche Kleider, Hut, Stock, Hose und Schuhe und den Rucksack hergeben. Dafür geben sie mir ihre schlechten KZ-Kleider. Brevier und Rosenkranz konnte ich auch retten. In diesem Aufzug konnte ich natürlich den Versehgang nicht mehr fortsetzen, ich kehrte um und konnte einige Tage später den Versehgang ohne Störung machen, doch musste ich einen verborgenen Schleichweg einhalten. In diesen Tagen war man zu Hause keinen Augenblick sicher, noch weniger auf der Straße.

Am 5. Juni 1945, am Jahrestag der Invasion in Frankreich, tritt in Berlin die erste alliierte Kommission zusammen und erlässt eine Deklaration mit 15 Punkten über die Kapitulation Deutschlands. Am 6., 7. u. 8. Juni ziehen zahllose russische Truppen wieder nach Norden Richtung Zwettl-Gmünd. Der Hauptverkehr spielt sich auf der Straße Königswiesen-Zwettl ab, teilweise auch auf der unteren Straße von Waldhausen nach Ottenschlag, teilweise aber auch auf unserer Straße. Am 12. und 13. Juni kommen von Tschechoslowakei lange Flüchtlingskolonnen von Kroaten, Banatern, Siebenbürgern und Volksdeutschen durch unseren Ort, die wieder zurück in ihre Heimat wollen. Furchtbare Szenen spielen sich ab. Hunger, Elend und Not schaut allen Flüchtlingen aus den Augen. Kinder und Erwachsene können sich kaum mehr fortschleppen vor Entkräftung. Auf dem Marktplatz stirbt gleich nach der Ankunft ein neunjähriger Bub an Auszehrung. Der Arme, Franz Renz mit Namen, wird am 14. Juni hier im Friedhofe begraben. Soweit es möglich ist, wird von unserer Bevölkerung den armen Flüchtlingen geholfen, aber sie müssen bald wieder weiter, weil sie die Russen auf einen Schlepper verladen und donauabwärts bringen wollen.

Im Juli setzt dann ein starker Durchzug verwundeter deutscher Soldaten ein, hauptsächlich  Schlesier und Bayern, die aus den Lazaretten in Böhmen entlassen wurden und die teilweise zu Fuß teilweise mit Wägen durch unser Gebiet hindurch die amerikanische Linie bei Linz zu erreichen suchen. Es ist ein trauriger Anblick. Bettelnd müssen sie von Ort zu Ort ziehen, auf den Wägen liegen Schwerverwundete, viele ohne Hände, ohne Füße und viele Blinde. Überall erbarmt sich die Bevölkerung ihrer und hilft so gut sie helfen kann. Außer den Besatzungstruppen, den Verwundeten und flüchtigen herrscht fast kein Verkehr, kein Auto, keine Post, man atmet förmlich auf, als das erste Privatauto von Grein hereinkommt. Der Sommer ist sehr heiß und trocken. Frühzeitig setzt die Ernte ein, alles hilft mit, um die Gottesgaben gut einzubringen, denn ganz Europa steht vor einer furchtbaren Hungersnot. In allen vom Krieg hart betroffenen Ländern erhebt sich drohend das Gespenst des Hungers. Noch hatte das untere Mühlviertel immer gehofft, mit dem Lande Oberösterreich wieder vereinigt zu werden und unter amerikanische Besatzung zu kommen, da räumen die Amerikaner am 28. Juli auch das ganze obere Mühlviertel und das ganze Land nördlich der Donau von Passau bis Wien wird einheitlich von den Russen besetzt. In Urfahr entsteht eine eigene Zivilverwaltung für das ganze Mühlviertel. Dort und da kommen traurige Fälle von Plünderungen und Vergewaltigungen vor. Am 28. Juli abends kommt nach langer Trockenheit und Dürre endlich ein langersehnter Regen, der aber von einem heftigen Gewitter und furchtbarem Sturm begleitet ist. Dächer werden arg mitgenommen, Bäume entwurzelt, auch das Kirchendach hatte argen Schaden gelitten und die schöne Linde auf dem Marktplatz war auch ein Opfer dieses Sturmes geworden. Anfangs August treten zwei Ereignisse ein, die ein schnelles Kriegsende herbeiführen; Deutschland hatte ja zwar schon anfangs Mai kapituliert, aber der Krieg mit Japan ging pausenlos weiter. Da erklärt nun auch Rußland Japan den Krieg und zugleich fallen die ersten Atombomben durch die amerikanische Luftwaffe auf die beiden japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki. In einer einzigen Stadt gibt es durch eine Atombombe bei 90.000 Tote, die beiden Städte verschwinden fast vom Erdboden. Zermürbt durch diese harten Schläge kapituliert auch Japan und das Ende des Zweiten noch furchtbareren Weltkrieges war damit gekommen. Am 15. August, am Fest Maria Himmelfahrt, um 1 Uhr mitternachts tritt auf der ganzen ruhelosen Welt endlich wieder Ruhe und Frieden ein. Es war ein gewaltiges, gigantisches Völkerringen, wie es die Welt wohl kaum einmal gesehen hatte. Auf beiden Seiten wurden Menschen und Material in die Schlachten und in die Wagschalen geworfen, bis endlich die furchtbare Gewaltherrschaft in Deutschland zusammenbrach und die Völker von dieser schrecklichen Geißel befreite. Wer Hass predigt, muss Sturm ernten, diese Worte haben sich leider am deutschen Volk bitter erfüllt. Am 20. und 21. August kommt eine G.P.U. Abteilung nach Dimbach und hält in allen Häusern Hausdurchsuchungen. Im Pfarrhof hatten sie sich sehr wohl benommen.“